Wieso eigentlich „Kardinäle“?
FEUILLETON / PAPSTWAHL
08/05/25 Genau 133 von ihnen sitzen, weil noch nicht steinalt (sprich über achtzig), zur Zeit in der Sixtinischen Kapelle und versuchen eine Zweidrittelmehrheit für einen von ihnen als Papst zuwege zu bringen. Wie kommen die Kardinäle eigentlich zu ihrem Namen?
Von Reinhard Kriechbaum
Da müssen wir uns zwei Figuren der römischen Mythologie genauer ansehen. Der eine ist der doppelgesichtige Gott Janus, die andere eine etwas schnippische römische Nymphe namens Cardea. Der eine war von Berufs wegen zuständig für den Jahreswechsel, was bei zwei Gesichtern eine gewisse Logik hatte. Janus hatte den absoluten Überblick, nach vorne und nach hinten. Seine Zuständigkeit für Zeitenwenden drängte sich auf. Schließlich war er schon immer da, ein vor Selbstbewusstsein strotzender Herr. „Me Chaos antiqui (nam sum res prisca) vocabant“, so stellt er sich bei Ovid vor: Chaos nannten mich die Alten, ein urvorzeitliches Wesen (wörtlich: eine altehrwürdige Sache). Janus hatte zu Ovids Zeiten also Jahreswechsel genug hinter sich. „Me penes est unum vasti custodia mundi, et ius vertendi cardinis omne meum est“, sagt er reichlich großkotzig. „Mir allein obliegt die Wacht über die unermessliche Welt, nur mir kommt das Recht zu, die Angeln zu drehen.“
Aber auch so ein Türendreher im römischen Parnass hatte so seine schwachen Stunden, und da kommt Cardea ins Spiel. Ovid überliefert in seinen Fasti, in denen er von den römischen Feiertagen und ihren göttlichen Protagonisten erzählt, ein nettes Sittenbild: Cardea war eine an den Tiber-Gestaden umgehende Nymphe. Sie machte sich einen Jux daraus, mit Männern zu schäkern und die potentiellen Liebhaber voraus zu schicken an ein lauschiges Plätzchen für ein Stelldichein. Allein, aus dem Rendezvous ward dann nichts, weil sich die Nymphe klammheimlich davon zu machen pflegte, bevor es ernst wurde.
Beim Gott Janus geriet sie an den Falschen: Mit seinen beiden Gesichtern hatte er keinen toten Winkel und behielt die kecke Nymphe fest im Blick. Da war Cardea also die längste Zeit Fräulein gewesen. Janus war aber kein undankbarer Liebhaber. Als Entschädigung für die geraubte Jungfräulichkeit machte er Cardea zu so etwas wie einer Abteilungsleiterin in seinem Zuständigkeitsbereich: Sie wurde die Herrin über Schwellen, Türscharniere und Türgriffe. „Ihre Macht ist es, zu öffnen, was geschlossen ist; zu schließen, was geöffnet ist“, schreibt Ovid über Cardea.
Cardo ist das römische Wort für Türangel, Dreh- und Angelpunkt. Davon leitet sich das Wort cardinalis (wichtig, vorzüglich) ab. Und so kamen die wichtigsten Herren neben dem Papst zu ihrem Ehrentitel – übrigens schon in der Antike, um das Jahr 500. Kardinäle halten vom Wort her die katholische Kirche in den Angeln. Nicht ganz leicht, wenn die Türpfosten schon etwas morsch sind.
Schade, dass sie heutzutage nicht mehr jene breitkrempigen Hüte tragen wie der Kirchenvater Hieronymus auf dem Bild von Dürer im Kunsthistorischen Museum. Auch auf dem Wappen des Salzburger Erzbischofs Matthäus Lang – eine Buchillustration von 1520 im British Museum – ist ein solcher Kardinalshut (Galero) zu sehen, mitsamt den Quasten. Eigentlich stehen Kardinälen dreißig Quasten zu, für Salzburg gibt’s allerdings eine Sonderregelung: Unsere Erzbischöfe haben zwanzig Quasten im Wappen, unabhängig davon, ob sie Kardinäle sind oder nicht.
Immerhin acht Salzburger Kirchenfürsten haben es zur Kardinalswürde gebracht: Burkhard II. von Weißpriach (1461–1466), Matthäus Lang von Wellenburg (1519–1540), Guidobald Graf von Thun und Hohenstein (1654–1668), Max Gandolf von Kuenburg (1668–1687), Friedrich Johannes Jacob Cölestin von Schwarzenberg (1835–1850), Maximilian Joseph von Tarnóczy (1851–1876), Johannes Evangelist Haller (1890–1900) und Johannes Baptist Katschthaler (1900–1914).
Auf kardinalsrote Gewänder müssen Salzburgs Erzbischöfe freilich auch dann nicht verzichten, wenn sie es nicht zum Kardinal bringen. Schließlich führen sie seit 1648 den Titel Legatus natus des Apostolischen Stuhls. Dies sichert ihnen den Purpur, der sonst nur Kardinälen zusteht.
Es gibt gefinkelte Unterschiede in der Gewandung. Legati nati sind ja auch auch die Erzbischöfe von Esztergom (Ungarn), Köln und Prag – die dürfen den Legatenpurpur aber nur innerhalb der eigenen Diözese tragen. Der Salzburger Erzbischof, weil zugleich Primas Germaniae, und neuerdings sein Kollege aus Gnesen (als Primas Poloniae) brauchen sich an der Diözesangrenze nicht umzuziehen, sie dürfen überall in Scharlachrot auftreten.
Bilder: dpk-krie