Sozialwort der Kirchen als „Gebot der Stunde“

HINTERGRUND / ÖKUMENISCHER EMPFANG

09/01/19 Gerechtigkeit sollte, biblisch gesehen, für alle gelten, der öffentliche Diskurs gehe allerdings in eine andere Richtung – so Dekan Alois Halbmayr von der Katholisch-Theologischen Fakultät Salzburg beim Ökumenischen Empfang am Dienstag (8.1.).

„Ein ökumenisches Sozialwort wäre ein Gebot der Stunde. Es könnte den politischen Diskurs bereichern“, so Dekan Halbmayr. Genau so sieht das auch Michael Chalupka, Geschäftsführer der Diakonie „Eine Welt“: „Gerechtigkeit geschieht im Tun, und ethische Verpflichtungen gelten für alle – und sie gelten gegenüber allen. In der Öffentlichkeit ist es anders: So sollen etwa Asylberechtigte bei der Mindestsicherung schlechter gestellt werden, weil sie die Sprache noch nicht ausreichend beherrschen.“ Zwar sei im öffentlichen Diskurs von einer „neue Gerechtigkeit“ die Rede, aber: „neue Gerechtigkeit heißt: Leistung muss sich lohnen. Die Mindestsicherung soll das Mindeste sichern, das Menschen zum Leben brauchen. Das ist eine Frage der Menschenwürde – und unabhängig davon, wie viel und wie lange jemand ,ins System‘ eingezahlt hat oder woher er oder sie kommt.“, Deshalb plädiert der ehemalige Direktor der Diakonie Österreich für ein gemeinsames Wort der Kirchen zur Gerechtigkeit in der pluralen Welt.

Daran knüpfte Dekan Halbmayr an: Das Sozialwort aus dem Jahr 2003 sei eben schon fünfzehn Jahre alt. „Es beeindruckt mit der Breite der Themen, andererseits fällt aber auf, dass wichtige Themenbereiche völlig fehlen, etwa Migration, Klima oder auch Fragen des internationalen Finanzsystems.“ Halbmayr ging in seinem Impulsreferat auf das Papier des Vatikans „Oeconomicae et pecuniariae quaestiones“ (Fragen der Wirtschaft und des Geldes) ein. Es wurde 2018 vorgestellt, erreichte aber trotz Brisanz wenig Bekanntheit. Das Papier erläutert, warum das gegenwärtige Weltfinanzsystem hochproblematisch erscheint und dringend einer Erneuerung bedarf, zu der auch die Kirche ihren Beitrag leisten müsse. Es bestehe die Gefahr, dass der Ertrag aus dem Kapital „den Ertrag aus der Arbeit zu überrunden“ drohe, heißt es in dem Schreiben, das auch von dem Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Luis F. Ladaria unterschrieben ist. Darin sieht Alois Halbmayr „ein Indiz dafür, dass für Papst Franziskus sozialethische Themen genauso wichtig sind wie die klassischen Fragen des Glaubens und der Sitten, zu denen sich die Glaubenskongregation sonst immer wieder äußert.“

Im ökumenischen Dialog ist im Moment aber nicht nur die soziale Frage ein Thema. Mit – vorsichtig gesagt – einiger Neugier schaut man darauf, was sich im Moment innerhalb der Orthodoxen Kirche zwischen Russland und der Ukraine abspielt: Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche hat ja vor wenigen Tagen ihre Unabhängigkeit erklärt und dies ist vom Ökumenische Patriarchen von Konstantinopel trotz massiven Protest des Patriarchts von Moskau anerkannt worden. Gerade angesichts des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine um den Donbas und die Krim birgt diese Spaltung erhebliches politisches Potential. Dazu Dietmar W. Winkler, Vorsitzender von Pro Oriente Salzburg: „Die Orthodoxie versteht sich als Bund gleichberechtigter selbstständiger Kirchen mit je eigenem Oberhaupt. Dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel wird die Rolle eines Ersten unter Ranggleichen zuerkannt, d.h. er ist jener, der die orthodoxen Kirchen koordiniert und für sich auch das Recht in Anspruch nimmt, einer Kirche die Selbstständigkeit zu gewähren.“ Wer sich der russischen Kirche noch anschließe und damit den Graben innerhalb der Orthodoxie vergrößere, sei noch nicht absehbar. „Für uns Schwesterkirchen des Westens, aus welcher Tradition auch immer, muss es das Anliegen sein, mit allen im Gespräch zu bleiben.“ (Erzdiözese Salzburg)

Bilder: Erzdiözese Salzburg