asdf
 

Die Zukunft - begraben und verloren

HINTERGRUND / INTEGRATION / JUGENDLICHE

09/08/18 Das reiche Österreich leistet sich Festspiele – und zugleich die Unkultur, Kinderrechte mit Füßen zu treten. Ein aufrüttelndes Fallbeispiel – und ein Aufschrei der Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Darenstaedt.

„Wir haben immer wieder mit Abschiebefällen junger Menschen zu tun, die dringend einer kinderrechtlichen Lösung bedürfen“, so die Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt. Für zwei Mädchen aus dem Irak kommt eine solche kommt jedenfalls zu spät: Sie wurden gestern Mittwoch (18.8.) außer Landes gebracht.

Rose (18 Jahre) und Ranya (15 Jahre), zwei bestens integrierte Mädchen lebten seit drei Jahren mit ihren Eltern und den jüngeren Geschwistern in Österreich. Sie verbrachten hier prägende Jahre ihrer Entwicklung und sprechen perfekt Deutsch. Die gesamte Familie ist westlich orientiert, der knapp zweijährige Bruder in Österreich geboren. Rose absolvierte bereits ein Jahr die Ausbildung zur Krankenpflegerin, Ranya hatte in einem der Top-Hotels in Salzburg eine Lehrstelle in Aussicht, denn sie war als beste Bewerberin im Auswahlverfahren hervorgegangen. Doch weder wird Ranya eine Lehre in der Hotellerie machen können noch Rose Krankenpflegerin werden, denn beide Berufe sind im Irak für Frauen ungeeignet. In Österreich hingegen herrscht eklatanter Fachkräftemangel, sowohl in der Pflege als auch im Tourismus.

„Rose und Ranya wollten gleichberechtigt leben, eine Ausbildung machen, ihr eigenes Geld verdienen, ihren Beruf frei wählen, sich kleiden und ausgehen wie ihr gleichaltriger Freundeskreis, mit dem Fahrrad fahren und schwimmen gehen, die Meinung frei sagen dürfen“, so Andrea Holz-Dahrenstaedt. „Eigentlich zwei junge Frauen, die sich perfekt als 'Role Models' geeignet hätten, die als Art Kulturvermittlerinnen unserem Land beste Dienste erweisen hätten können.

„Nichts davon können sie nun realisieren, die ganze Familie ist verzweifelt, die Kleineren weinten und verstanden nicht, warum sie von ihren Freunden und ihrem zu Hause wegmüssen“, klagt die Kinder- und Jugendanwältin. „Zu allem Überdruss ist von ihren mühsam erarbeiteten und ersparten wenigen Euros so gut wie nichts übriggeblieben: Davon mussten sie beispielsweise die Übersetzungs- und Beglaubigungskosten für die österreichischen Schulzeugnisse bezahlen, die öffentlichen Verkehrsmittel für zahlreiche behördlichen Wege im Zusammenhang mit der „freiwilligen Rückführung“ sowie – im Gegensatz zu ihren Mitschülerinnen – die monatliche Zug- und Busfahrt, um die Krankenpflegeschule besuchen zu können.

„Rose und Ranya haben ihr Recht auf ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben als Frauen in Sicherheit und Frieden, ihren Glauben an Gerechtigkeit, ihre Hoffnung auf eine positive Zukunftsperspektive, ihr Recht auf Ausbildung, begraben und verloren“, klagt Andrea Holz-Dahrenstaedt. Das negative Asylverfahren sei „für mitteleuropäisches Durchschnittsverständnis nicht nachvollziehbar“. Der ganze Ort, das gesamte soziale Umfeld, sei hinter der Familie gestanden und habe für ihren Verbleib in Österreich gekämpft. „Und Österreich, hat 'fehlinvestiert', getont die Kinder- und Jugendanwältin. Der Staat habe einen statthaften Betrag für eine Familie ausgegeben, die sich mehr oder weniger von Beginn an selbst erhalten hätte können. „Unsere Gesellschaft hat mit der Ausweisung zukünftige Systemerhalterinnen und wertvolle Mitmenschen verloren.“

Im sog. „Bosnienkrieg“ vor gut 25 Jahren habe man eine politische Bleiberechtslösung gefunden. In Deutschland gibt es die vielmals zitierte „3+2 Regelung“ für junge Menschen in Ausbildung. Für strafrechtlich Verurteilte gibt es die Möglichkeit einer Begnadigung durch den Bundespräsidenten, um rechtskräftig verhängte Strafen zu erlassen oder sonst wie abzuändern. „Für Fälle wie diesen gibt es: nichts“, so Andrea Holz-Dahrenstaedt. Die Familie habe sich nicht nur nichts zu Schulden kommen lassen, sondern ist ein hervorragendes Beispiel für bestens gelungene Integration, ganz im Sinne des Regierungsübereinkommens!

„Gesetz ist Gesetz“, laute der reflexartige Stehsatz. Stimmt, aber: „Geflüchtete Kinder und Jugendliche haben das Recht auf besonderen Schutz und Beistand durch den Staat“, und „das Kindeswohl ist bei allen staatlichen Maßnahmen vorrangig zu berücksichtigen“, das ist Völker- und Bundesverfassungsgesetz, wozu sich Österreich durch Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention vor knapp dreißig Jahren verpflichtet hat. Die innerstaatlichen Gesetze sind nicht „wie Manna vom Himmel gefallen“, betont Andrea Holz-Dahrenstaedt. „Es ist Aufgabe eines Rechtsstaats, durch gerechte und sinnvolle Gesetze einen Rahmen zu schaffen, der den arbeitsmarktpolitischen, volkswirtschaftlichen UND kinderrechtlichen-humanitären Grundsätzen entspricht! In Fällen wie Rose und Ranya gibt es nur Verlierer.“ (Kija/dpk-krie)

Bild: kija Salzburg

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014