Dankbarkeit ist keine Kategorie

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

28/12/15 Das unrühmliche Ende der Salzburger Schlosskonzerte ist eine Geschichte ausschließlich mit Verlierern. „Die größte Kammermusikreihe der Welt“ - das war über Jahrzehnte der musikalische Brennpunkt für Touristen sonder Zahl. Ein kulturelles Vorzeigeunternehmen der Wirtschaftswunderzeit.

1954 hat Siegfried Hummer die Schlosskonzerte gegründet. Seine Beobachtung: Der nach dem Krieg allmählich sich wieder als Wirtschaftszweig etablierende Tourismus (wie er sich entwickeln würde, konnte Hummer damals nicht ahnen) spülte eine immer größere Zahl von Gästen in die „Musikstadt“. Ihren Hunger nach Mozart konnten die wenigen Konzertveranstalter damals nicht annähernd stillen. Hummer bot Reise- und Musikarrangements an, ein Geschäft, das sich über Jahrzehnte als Goldgrube erweisen sollte. Auch prominente Künstler waren damals für Auftrittsmöglichkeiten dankbar. Igor Oistrach, Jeremy Menuhin und Jörg Demus spielten hier, das Alban Berg Quartett machte Station. Für Benjamin Schmid und das Hagen Quartett waren die Schlosskonzerte ein Ort, wo sie unschätzbare Posiumserfahrung vor internationalem Publikum sammeln konnten. Mitglieder der Wiener und Berliner Philharmoniker nutzten ihre Anwesenheit zu Ostern und im Sommer zu Auftritten in unterschiedlichsten Formationen.

1991 hat Luz Leskowitz die Schlosskonzerte übernommen, genau gesagt: für vier Millionen Schilling die damals so gut angeschriebene Marke übernommen. Ein schlechter Zeitpunkt, denn alsbald änderte sich nicht nur die Erwartungshaltung des (Massen-)Publikums, es zeigte sich auch die Krisenanfälligkeit – und gleichwohl die Regenerationsfähigkeit – des Tourismus. Da waren nicht nur die Amerikaner dahin, die in ihren großkarierten Hosen das Erscheinungsbild des Publikums in den achtziger Jahren mit prägten. Öl- und andere Krisen trafen den Salzburg-Tourismus und damit die Schlosskonzerte.

Luz Leskowitz hat sich redlich abgestrampelt, hat eine Pleite überlebt (und dabei seine Stradivari und sein Privatvermögen eingebüßt). Ohne Förderungen hat er den Betrieb hinüber gerettet, im Mozartjahr 2006 ordentlich Kohle gemacht, diese in den Jahren drauf wieder eingebüßt. Geldlöcher taten sich auf und wurden wieder irgendwie geschlossen. Längst gab es keine nach Musik hungernden Publikumsmassen mehr. Der Salzburg-Tourist heute ist mehrheitlich doch ein Tagestourist, und will er kulturell partizipieren, bekommt er an der Abendkasse der Festspiele noch etwas Attraktives.

Schlechte Zeiten für Luz Leskowitz. Auch für die Stadt Salzburg, die sein Schulden-Abstottern einmal nicht mehr tolerieren wollte und nach einem Finanzprüfbericht wohl auch nicht mehr tolerieren durfte. Dass die Stadt Salzburg etwas anderes probiert im Marmorsaal, dass sie einen Mitbewerber – die Salzburger Konzertgesellschaft – für geviefter und finanziell zuverlässiger hält, ist ihr nicht zu verübeln.

Sehr wohl aber die Vorgangsweise: Im Herbst zur Bewerbung um den Marmorsaal zu laden, und zwei Wochen vor Weihnachten (der Stadtsenat tagte am 14. Dezember!) zu entscheiden, was dort ab 1. Jänner 2016 geschehen soll, das ist stark. Sitzen im Kulturamt Leute, die keine Ahnung davon haben, was für Vorlaufzeiten im klassischen Konzertbetrieb üblich sind? Ist man dort so ahnungslos oder so ignorant, so ganz und gar nicht Bescheid zu wissen um die Mechanismen des Kulturbetriebs?

Luz Leskowitz' Unternehmen jedenfalls ist quasi von heute auf morgen ruiniert, die vier Mitarbeiter sind schon gekündigt. Der Konkurrent, der den Zuschlag bekommen hat, ist nicht minder überrascht vom Gang der Dinge. Dort laufen jetzt die Telefone heiß, dass man noch ein Programm für den Marmorsaal zuwege bringt. Man redet immerhin von 170 bis 180 bereits feststehenden Terminen (die Salzburger Konzertgesellschaft wird die Termine und Buchungen von den Schlosskonzerten übernehmen).

Für die Stadt zeichnet sich zumindest ein Imageschaden ab. Das Unternehmen „Salzburger Schlosskonzerte“ hat ihr jahrzehntelang, ohne sie etwas zu kosten, Publikum zugeführt. Das zählt offenbar gar nicht. Dankbarkeit ist keine Kategorie, wenn sich abzeichnet, dass man einen Konzertveranstalter ins Schloss Mirabell bekommt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht darauf hoffen muss, mit Ratenzahlungen über die Runden zukommen.

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