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Schulreform(erl) auf Österreichisch

GASTKOMMENTAR

Von Wolfgang Stern

24/11/15 Und so haben wir weiterhin die Zweiklassengesellschaft im Schulsystem. Schulwahl mit Zehn, ein Problem und eine Tatsache, die uns weiterhin beschäftigen vielen Familien teils nicht zumutbare Diskussionen und Streit liefern und - man muss es aussprechen - den Schwarzmarkt bei falscher Schulwahl weiterhin beleben wird. Dazu kommen negative Einflüsse auf die Entwicklung der jungen Menschen, etwa Zwang oder Druck seitens der Gesellschaft, die bis zu psychischen Störungen führen können.

Traurig, dass das, was der Finanzminister abstellen möchte, die Schwarzarbeit in Form von Nachhilfe, weiter „gefördert“ wird. Besonders in den Großstädten, wo das Parallelsystem Höhere Schule und Neue Mittelschule, weiterhin floriert und oft zu falschen Entscheidungen beiträgt.

Sind wir doch ehrlich, in Wien, Graz, Linz, Salzburg, aber eigentlich in allen Standorten, wo es die Pflichtschule und Höhere Schule nebeneinander gibt, ist die Neue Mittelschule (früher Hauptschule) zweite Wahl, ein Trend der Zeit, dem man nur mit einer flächendeckenden Gesamtschule entgegentreten kann.

Da hilft das Abstrampeln der Kollegen einer Neuen Mittelschule kaum etwas. Einfach gesagt: Wenn das Nachbarkind oder die Freundin in eine Höhere Schule geht, dann ist die Wahl eindeutig und man schickt sein Kind auch dorthin, auch wenn die Noten der Volksschule etwas anderes empfehlen würden.

Apropos Noten: Um längeren Stellungnahmen zu Ferienbeginn auszuweichen, gibt man in der vierten Klasse Volksschule auf Druck der Eltern oft die bessere Note – das hört man leider immer wieder aus verlässlichen Kreisen. Und ich selber weiß auch, wovon ich spreche, nachdem ich 41 Jahre gerne im Schuldienst war, davon 19 Jahre als Schulleiter.

Caritaspräsident Landau hat es treffend formuliert: „Ich glaube, dass dieses Konzept eine Ansammlung von Verwaltungsentscheidungen ist.“

Man sucht im Team, das das Reformpapier erstellt hat, die wahren Experten vergebens: die, die in der Klasse stehen, noch bei den Kindern sind und wissen, wo der Hut brennt. Eine Reform am grünen Tisch beinhaltet noch immer zu viel Theoretisches. Und diesmal musste man auch unter Zeitdruck arbeiten, der politische Gegner wartete auf seine Chance…

So steht Österreich vor einem neuen Reformerl. Maria Theresia konnte weiland mit anderen Kalibern aufwarten. In Österreich vermisst man die Kontinuität einer Entwicklung. Kontinuität ist nicht möglich, wenn die Ministerinnen ständig ausgewechselt werden, Beamte (etwa Sektionschefs) und Gewerkschaft, aber vor allem die Länderkaiser der Nation viel mitzureden haben und so Stillstände und Schritte zurück verursachen, die eigentlich niemand möchte.

Ich lade alle, die sich Bildungspolitiker nennen oder auch die, die es sein wollen – da gibt es eine große Anzahl! – ein, eine Woche den unverfälschten Betrieb einer großstädtischen normalen Neuen Mittelschule mitzuerleben. Dann würde man erst sehen, dass das Lehrersein schon aus disziplinären Gründen mit Schwerarbeit zu vergleichen ist. Lehrerinnen und Lehrer stehen in der Neuen Mittelschule von komplexen Gruppen junger Menschen (mit oft schwierigsten Lebenshintergründen), wie es sie in einer Höheren Schule, wo man so nebenbei für die gleiche Arbeit unter leichteren Bedingungen ein besseres Gehalt bezieht, nicht gibt.

Und die Kernfragen werden weiterhin bleiben: Wie lange noch werden die Kinder nach dem zehnten Lebensjahr getrennt? Wie lang wollen wir den Stress der Wahl einer Schultype für unsere Jüngsten noch aufrechterhalten, das Zweiklassensystem beibehalten und gegen den Großteil der europäischen Schulsysteme „konkurrieren“?

Ich warte auf das nächste Reformerl. Viele von uns werden es sicher nicht mehr erleben, wohl aber den nächsten Ministerinnenwechsel.

Wolfgang Stern war Direktor der Musikhauptschule "Ferdinandeum" in Graz ist einer der Initiatoren dieses Schultyps in Österreich.

 

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