Der Hebel für den Schleudersitz

KOMMENTAR

rkVon Reinhard Kriechbaum

04/02/14  Wäre es üblich, Direktoren oder Geschäftsführer der beiden Salzburger Orchester zu porträtieren: Die Malerzunft brauchte um Arbeit fürwahr nicht zu bangen. Als Beobachter von außen könnte man meinen: Die Orchesterdirektoren sind die natürlichen Feinde der Musiker.

Im Fall der scheidenden Orchesterdirektorin Vera van Hazebrouck fehlt es nicht an gegenseitiger Schuldzuweisung. Sie fühlt sich vom Orchester gemobbt, das Orchester fühlte sich von ihr schlecht betreut. Dass sie viel Zeit als „Teleworkerin“ verbracht hat und es an Präsenz vor Ort fehlte, ist eine Tatsache. Dass zwischen Österreichern und Deutschen Mentalitätsunterschiede bestehen, mag die Kontakte vor Ort nicht verbessert haben. Mit einseitigen Schuldzuweisungen kommt man da nicht weiter.

Ein Grundproblem: Musiker sind ehrgeizig geworden, sie lassen sich gerne künstlerisch herausfordern und sie fahren auch gerne auf Tourneen. Zeiten, da Orchesterspiel als Fron und das Dasein mit Beamtenmentalität abgesessen wurde, sind glücklicherweise längst vorbei. Das hört man gerade dem Mozarteumorchester an – seine Qualität ist mit dem Zustand vor fünfzehn, zwanzig Jahren überhaupt nicht mehr zu vergleichen.

Ein Orchesterdirektor steht heutzutage also einer Gruppe von hoch ambitionierten Künstlern gegenüber, die aktiv gemanagt sein wollen. Dass eine Gruppe künstlerischer Individuen auch besonderes Fingerspitzengefühl bei der Kommunikation voraussetzt, kommt dazu.

Auf der anderen Seite: Die wirtschaftliche Situation – etwa bei der Planung von Tourneen – ist für die Orchesterdirektoren überproportional schwierig geworden. Veranstalter zaudern, schrecken vor langfristigen Gastspielverträgen zurück, weil sie ja schwer einschätzen können, wie viel Geld in zwei, drei Jahren zur Verfügung stehen wird. Ein Orchester wie das Mozarteumorchester ist aber kurzfristig nicht zu dirigieren, schließlich gibt es einen ebenfalls solide vorgeplanten Terminkalender im Landestheater, und auch die Kulturvereinigungskonzerte wollen ehzeitig terminisiert sein.

Eine tagtägliche Mühle für diejenigen, die fürs Wirtschaftliche und Organisatorische im Orchester verantwortlich sind. Kurzfristige Einteilung der Orchesterdienste, ein Vermeiden von Leerläufen, strategische Planung, Positionierung des Orchesters auf dem internationalen Spielfeld: Das läuft in Summe auf die Quadratur des Kreises hinaus.

Kein Wunder, dass das an die Substanz geht, dass kleinere Reibereien und ausgewachsene Zwistigkeiten sozusagen systemimmanent sind. Entsprechend lang ist die „Ahnengalerie“ der Orchesterdirektoren: Thomas Wolfram (der jetzt als Retter in der Not wieder kommt), Peter Ramsauer, Erwin Niese, Thomas Rosu, Vera van Hazebrouck – drüben bei der Camerata ist die Liste noch ein bisserl länger.

Ja, es das sind exponierte Jobs im Kulturmanagement. Schleudersitze, bei denen oft der Auslösehebel gedrückt wird.

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