Differenzierung, nicht Pauschalierung

GASTKOMMENTARE

11/01/21 Die Zeitungs-Headlines heute: Gesundheitspersonal soll möglichst incognito herumrennen, um nicht von radikalen Maßnahme-Feinden attackiert zu werden. Da fällt es zugegeben schwer, Verständnis für Ungeimpfte aufzubringen. Trotzdem Brücken bauen zu ihnen? Unsere Hintergrundgeschichte und der Gastkommentar von Leo Fellinger haben Leser-Reaktionen nach sich gezogen, unter anderem von Wolfgang Danzmayr und Erich Pürstl.

 

Von Wolfgang Danzmayr

Ich stimme Leo Fellinger voll zu. Natürlich bin ich, wie viele andere inzwischen Dreifach-Geimpfte, immer wieder verwundert bis ärgerlich über sogenannter Impfgegner, weil durch sie scheinbar bis offensichtlich diese Pandemie einfach kein Ende findet. Andererseits verstehe ich – und denke oft ebenso – die Abgrenzung gegenüber einer alles vereinnahmenden Pharmaindustrie und dem dadurch verursachten unglaublichen Plastikmüll. Auch kann ich grundsätzliche Bedenken oder auch schlicht Ängste gegenüber Impfungen respektieren.

Scheinbar führt aber kein anderer Weg als vielfache Impfungen vorbei an diesem rasch und daher mit vielen Fehlurteilen behafteten Dilemma. Es gab und gibt einfach zu wenig Zeit, um viel intensivere Forschungen anstellen zu können, was sich gerade jetzt in Bezug auf die Omikron-Variante wieder deutlich zeigt.

Dies alles gibt meines Erachtens jedoch keiner Regierung das Recht, Menschen, die aus welchen Gründen auch immer sich nicht impfen lassen wollen, von allen möglichen Angeboten kultureller wie ökonomischer Art einfach auszusperren. Aber als ob das nicht eh schon reichen würde, setzt man noch den Impfpflichthammer drauf und schmeißt damit verunsicherte oder auch einfach nur besorgte Menschen in einen Topf mit Krawallmachern, die es bei jeder Demo gibt, weil sie halt ihre Agressionen austoben wollen, egal was gerade Thema ist.

Oder aber sie wittern Wählerstimmen und gebärden sich als eigentlich verantwortungsvolle Politiker wie die mieseste Art von Rattenfängern. Offenbar ist Teilen der ÖVP nicht bewusst, dass sie mit einer Impfpflicht genau jener FPÖ in die Hände arbeitet, die sie als Koalitionspartner schon einmal abserviert hat. Gut positioniertes Kalkül sieht anders aus.

Wolfgang Danzmayr, Komponist, Dirigent, war Leiter der Musikabteilung im ORF Salzburg.

 

Von Erich Pürstl

Leo Fellinger ist es hoch anzurechnen, wenn er Brücken bauen will zwischen Maßnahmengegner*innen und -befürworter*innen. Er hat aus meiner laienhaften Sicht nicht recht, den Begriff „vollimunisiert“ gleichzusetzen mit 100prozentigem Schutz. Das wäre gleichbedeutend, wie wenn eine Person mit super Immunsystem (also sozusagen „vollimunisiert“) nicht angesteckt weren könnte. Es stimmt aber, der Begriff ist unglücklich gewählt.

Dass Leo Fellinger von Politiker*innen im allgemeinen nicht viel hält, ist teilweise verständlich. Aber auch hier ginge es um eine Differenzierung und nicht um eine Pauschalierung. Dass die türkise Sprachregelung zu Ausgrenzung und Separierung sowohl in der Ethnopolitik als auch in der Corona-Politik geführt hat, ist mehr als verwerflich und hat zu gesellschaftlichen Verhärtungen und Polarisierungen geführt.

Entscheidend ist wohl eher, was die weitaus überwiegende Mehrheit der Wissenschafter*innen und Epert*innen sagen, und das ist wohl sehr eindeutig. Wer das nicht wahrnehmen will, der oder die ist – so leid's mir tut – realitätsfern und trägt dazu bei, dass der unmögliche Zustand noch viel länger dauern wird.

Ich wurde auch als Kind Pocken usw. geimpft und bin froh darüber und nehm's meinen Eltern nicht krumm. Die aktuellen COVID-Impfstoffe sind vielfachst getestet und angewandt und sind für heutige Verhältnisse sicherlich state-of-the-art, was Sicherheit und Wirkung betrifft.

Erich Pürstl ist laut Eigendefinition „Kunst- und Kulturkonsument“, er ist engagiert in Sachen Film, war unter anderem Initiator des sommerlichen „Sternenkinos“.
Bilder: orchesterprojekt.at (1); privat (1)
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