Keine „einsame Besserwisserin“

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

24/11/21 Suspense nennt man das im Film. Alle erwarten das Schreckliche, aber es kommt nicht. Für das Pressegespräch heute Mittwoch (24.11.) Nachmittag hat man sich eine filmreife Dramaturgie ausgedacht. Alle Kuratoriumsmitglieder und die anwesenden Journalisten blickten nach links, von wo die neue Präsidentin hätte kommen sollen.

Aber sie kam nicht und nicht. Schließlich ist nach anderthalb Minuten des Wartens die derzeitige Präsidentin hinausgeeilt, um der Panne abzuhelfen. Nach diesem Thrill, wir geben es zu, wären wir sehr enttäuscht gewesen, wenn das Erwartete, die Erwartete dahergekommen wäre. Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf schien ja so gut wie festzustehen, der Hotelier Sepp Schellhorn oder die ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik wurden zuletzt auch genannt.

Es kam eine Dame, die wahrscheinlich keine und keiner der anwesenden Journalistinnen und Journalisten auf der Straße erkannt hätte, deren Name vorher noch nicht gefallen war. Kristina Hammer kommt aus der internationalen Wirtschaft. Ihre Profession ist es, bekannte Marken noch bekannter zu machen. Vom Wiener „Steffl“ bis zu Volvo, Jaguar, Rover und Merzedes-Benz. Da passen die Salzburger Festspiele wohl gut dazu, auch wenn's Kultur ist.

Enge schwarze Lokalpolitik hat offensichtlich diesmal keine Rolle, das Schweizer Personalberatungsunternehmen Egon Zehnder offensichtlich nicht nur einen Pro-forma-Part gespielt bei der Präsidentinnen-Findung. Landeshauptmann Haslauer hat bei der Vorstellung der Kandidatin dezidiert betont, was man eben nicht suchte: keine Persönlichkeit mit „intendantischer Vergangenheit“, und auch niemanden mit ausgefuchster kaufmännischer Qualifikation. Eine Frau mit offensichtlicher Führungsfähigkeit, die ein Feeling für Marken-Positionierung hat, wird so falsch nicht sein als Festspielpräsidentin. Man darf ihr, die in den vergangenen 25 Jahren in den Vorstands-Etagen nahmhafter Unternehmensgruppen umgegangen ist, auch zutrauen, dass sie den richtigen Tonfall findet, um Sponsoren und Mäzene zu gewinnen und bei der Stange zu halten. Der Eindruck derzeit: Da hat man eine Kundige gefunden, der die großen Spuren der scheidenden Präsidentin Helga Rabl-Stadler zumindest nicht viel zu groß sind.

Auf die individuelle Handschrift von Kristina Hammer als neuer Präsidentin darf man also gespannt sein. Sie zitierte gleich mal den Komponisten Wolfgang Rihm – Kunst entstehe nicht durch einsames Besserwissen, sie entstehe durch Dialog. Und auf neugierige Journalistenfragen konterte sie: „Lassen Sie mich ankommen, lassen sie mich zuhören.“ Werten wir das als gutes Omen.

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