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GLOSSE

Von Reinhard Kriechbaum

12/07/21 Für manche Glosse braucht man keinen Finger zu rühren, weil man das Material frei Haus geliefert bekommt. In diesem Fall von politisch Überkorrekten, denen das Wort Kulturschaffende sauer aufgestoßen ist.

Das sei zwar „ein auf ersten Blick inklusiver Begriff“, er „scheint geschlechtsneutral und schließt verschiedene Professionen und Tätigkeiten im Kunst- und Kultursektor ein“. Das sei „hilfreich, wenn man etwa auf die prekären Zustände einer ganzen Szene hinweisen will. Sieht man sich aber seine Geschichte an, wird es problematisch: Der Begriff Kulturschaffende wurde von den Nazis erfunden und war tief in deren Ideologie verwurzelt.“

Die Diskussion ist weder in Salzburg aufgeflackert, noch neu: Von der Belastheit des Begriffs berichtete im Frühjahr die Kulturplattform Oberösterreich (KUPF). Eva Blimlinger, Parlamentarierin der Grünen im Parlament, ist der Begriff schon seit Jahren ein Dorn im Auge.

Also war ein Wettbewerb zur politisch korrekten Wort-Bereinigung gefragt, Eva Blimlinger hat ihn im Frühjahr ausgelobt, unterstützt von KUPF, Standard und Deutschlandfunk Kultur. „Dabei ging es nicht darum, jemandem den Mund zu verbieten. Vielmehr sollte die Auseinandersetzung mit dem Sprechen über Kunst und Kultur im Zentrum stehen. Neben der Findung und Etablierung von Alternativen ging es darum, eine Diskussion loszutreten und für die Macht von Sprache zu sensibilisieren.“ So der Dachverband Salzburger Kulturstätten in einer Presseaussendung. Als ziemlich läppisches Preisgeld standen für zwei Anerkennungspreise je 250 Euro und für den Hauptpreis 1.000 Euro zur Verfügung.

116 Menschen sind 102 alternative Wörter eingefallen. Eva Blimlinger selbst regte an: „Kulturistinnen, wie Touristinnen.“ Das war sogar der Jury zu absurd. Nach intensiver Diskussion entschied die Jury sich für drei Begriffe, die einladen sollen, sich darin selbst zu verorten. Dabei wurden offene und konventionelle Begriffe experimentelleren Wortschöpfungen vorgezogen, um die vielfältige Kulturlandschaft abzudecken und ihren Akteur*innen größtmögliches Identifikationspotential zu bieten. Den bereits etablierten Begriff der Kulturarbeiter*innen hält die Jury weiterhin für wirkkräftig und notwendig – aufgrund seiner Nennung im Ausschreibungstext, entschloss sie sich allerdings, ihn nicht zu prämiieren.“

Wohin also sollen die Kulturschaffenden mutieren? Der Hauptpreis wird gedrittelt, denn das fulminante Wort Kulturtätige ist gleich drei Leuten eingefallen – Kathrin Delhougne (Kunsttherapeutin & Bildende Künstlerin, Wien), Ronja Fábián (Bildende Künstlerin & Fotografin, Wien) und Egid Jöchl (Komponist, Innsbruck). Zwei Anerkennungspreise für Salzburger: Sarah Kraushaar möchte lieber von Kultur-Engagierten sprechen und Karl Zechenter von Kulturaktiven.

Dazu die Juy: „Die drei Auszeichnungen eint ihre Eingängigkeit und Verständlichkeit und die damit verbundene Einschätzung der Jury, sie leicht in den Sprachgebrauch aufnehmen zu können. Während Kultur-Engagierte den Aspekt des 'hohen persönlichen und ideellen Einsatzes' (Kraushaar) hervorhebt, betont Kulturaktive 'noch stärker die Handlung' (Zechenter), ohne dabei das Feld auf aktivistische Zugänge zu beschränken. Der Favorit der Jury, Kulturtätige, überzeugt vor allem durch seine Praktikabilität und Neutralität. Er ist 'kürzer' als die Kulturschaffenden und 'leicht auszusprechen' (Fábián). Er enthält 'die Tat', 'das Tun', klammert gleichzeitig aber den 'Zwang' produktiv zu sein aus. Und: Die 'unterschiedlichsten Berufsfelder und Lebensrealitäten' (Delhougne) werden abgebildet – so umfasst er etwa auch 'Vermittler*innen, Veranstalter*innen' (Jöchl). Damit schließt er auch gut an Kulturarbeiter*innen an, ohne jene auszuschließen, die ihre Tätigkeit nicht als Arbeit (oder als mehr als Arbeit) verstehen.

Über den absurden Wortfindungs-Wettbewerb berichtete
unter anderdem der Standard am 3. April und am 12. April