Wer jubelt schon im Home office?

KOMMENTAR

Von Heidemarie Klabacher

01/02/21 Wir alle hoffen, dass es die erste und einzige Mozartwoche gewesen sein wird, die aus dem realen in den virtuellen Raum gejagt worden ist. Mit den adaptierten, also den stark gekürzten, aber live abgehaltenen Salzburger Festspielen 2020 kann die digitale Mozartwoche nicht verglichen werden.

Hoffentlich also wird es nicht nötig sein, aus dem anerkennenswerten Versuch Lehren für die Zukunft zu ziehen. Womöglich doch? Niemand nimmt an, dass es im Kulturbereich nach der Pandemie exakt so weitergehen wird, wie es vorher war (herausgegriffen sei allein das online-ticketing.)

Eins hat sich ganz deutlich gezeigt über diese zehn Konzerte hinweg: Wenn die musikalische Qualität stimmt, ist das Drumherum nebensächlich. Sitzt man halt staunend und beglückt vor dem Bildschirm, statt auf der Kante eines knarrenden Klappstuhls im Großen Saal des Mozarteums. Der Abend mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble unter Thomas Hengelbrock, die Lied-Mozartiade oder der Duo-Abend von Martha Argerich und Daniel Barenboim waren Sternstunden. Seiner Begeisterung hätte man gern ein wenig Luft gemacht. Aber Trampeln und Bravo-Rufen kommt komisch am Schreibtisch. Außerdem waren es ja keine Live-Streams, sondern zeitversetzt übertragene Aufzeichnungen...

Das rein Akustische hat gepasst. Ton und Tonqualität waren in Ordnung. Fehlt es freilich an Spannung und Gehalt in der Wiedergabe, bleibt es für den Hörer ein abgefilmtes Konzert. Und da beginnt das Optische Fragen aufzuwerfen.

Aus dem Theater kennt man den Begriff der „Vierten Wand“, jene imaginäre durchlässige Schranke zum Zuschauerraum hin. Die kann, wie sich zeigte, beim Streaming auch mal aus Panzerglas sein. Auf- und Abgänge von Solisten wurden mittels Bildschwenks hinauf auf die Kronleuchter oder den prächtigen Stuck überbrückt. Irgendwie fühlt man sich als Zuhörerin oder Zuhörer als unsichtbarer Dritter (oder Geist). Die Sopranistin Regula Mühlemann hat ihr „Publikum“ nicht nur singend verzaubert, sondern als „Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer“ direkt angesprochen, als sie eine Zugabe ankündigte. Ein charmanter, ein wohltuender Moment. Es wäre ein Weg zu suchen, das unsichtbare Publikum einzubinden. Natürlich darf man es nicht mit trockenen Konzert-Einführungen und/oder exaltierten Begrüßungen à la Rolando Villazon (Mozart lebt!) strapazieren. Eine Herausforderung für jegliche künftige „gestreamte“ Kultur. Eine solche wird es - mag sie nach Ende der Pandemie wie auch immer geartet sein - weiterhin geben.

Zum Optischen gehören zentral die Bildschnitte. Immer wieder wurde etwa noch vor Ende einer Phrase im Vokalpart von der Sängerin weg und auf die – zum Beispiel – Fagotte geblendet. Das Nicht-Mit-Atmen bei den Sopranistinnen der digitalen Mozartwoche war auffallend. Bei der Bartoli im Abschlusskonzert hat sich das übrigens niemand getraut. Vielleicht war auch nur ein kundiger Cutter am Werk. Im Bereich der Aufzeichnung muss wahrlich kein Rad neu erfunden, nur Sorgfalt aufgewendet werden. Musste man etwa den Mikrophonständer im Wiener Saal wirklich so zwischen die Mitglieder des grandiosen (!) Quatuor van Kuijk stellen, dass man den Bratschisten und den Cellisten ohne diesen Trenn-Strich gar nie zu sehen bekam? Dieses Kammerkonzert war eine weitere Sternstunde, aber da wäre Radio allein wirklich besser gewesen, als die unruhig und lieblos geschnittene Bildaufnahme.

Musik aus der Konserve, Musik, die man ohne die Atmosphäre eines funkelnden Konzertsaals und ohne ein paarhundert gespannt lauschender Mithörer „konsumiert“, wird mit anderen Ohren wahrgenommen. Alleine mit Kopfhörer am Bildschirm sitzend, ohne „Aura“, hört man Musik eher an wie eine CD. Einen Stream schaut man an wie einen Film. In beiden Fällen ist man eine andere Qualität gewöhnt, als man sie einigen der zehn Konzerte der digitalen Mozartwoche hat angedeihen lassen. Mozartwoche digital. Ein spannendes Projekt. Mehr Fragen als Antworten. Richtungs- und nicht Zielvorgabe.