Die echten Probleme

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

22/12/20 Die Mozartwoche ist abgesagt. Nicht deshalb, weil (zumindest nach derzeitigem Informationsstand) Veranstaltungen rund um Mozarts 265. Geburtstag am 27. Jänner unmöglich wären. Die Wahrheit ist: Die gesamte Kultur steht derzeit hilflos in einem geradezu kafkaesken Umfeld da.

Die Stiftung Mozarteum hätte sich wahrschenlich sogar damit abgefunden, dass die Wiener Philharmoniker im Großen Festspielhaus vor läppischen fünfhundert Zuhörerinnen und Zuhörern hätten spielen müssen. Doch im Moment sitzen alle Kulturveranstalter, von den allergrößten bis hin zu den kleinen „Krabblern“ aus der freien Szene, im gleichen sinkenden Schiff: Die Bundespolitiker verkünden in ihren Pressekonferenzen Dinge, die am echten Leben und seinen zwangsweise eingeschränkten Möglichkeiten absolut vorbei gehen. Eine Öffnung von Kulturstätten ab 18. Jänner bei gleichzeitlicher nächtlicher Ausgangssperre ab 20 Uhr? Kein Problem offenbar für Kurz, Anschober und Nehammer – sollen die „Kulturverliebten“ eben tagsüber ihr Home office zusperren...

Von Planungssicherheit für Kulturveranstalter ist seltener denn je die Rede, dafür nehmen manche Diskussionen unterdessen kafkaeske Züge an. Wir geben zu: Die heimische Seilbahnwirtschaft ist gerade unser Feindbild Nummer eins. Dass die Medien deren Wortführern derzeit gar so viel Raum geben, hat absolut nichts mit dem übergroßen Druck von unten, sprich: mit der unbändigen Skifahr-Sehnsucht einer ganzen Nation zu tun. Bis vor kurzem hat man lautstark darüber gejammert, dass immer weniger Österreicher dem Skifahren frönen und immer weniger Kinder den Umgang mit den Bretteln lernen.

Im Moment klingt es so, als ob das Tragen von FFP2-Masken der Gipfelpunkt an Unzumutbarkeit und der Todesstoß schlechthin für die Bergbahnen wäre. Mit Unverfrorenheit sondergleichen vergleichen die Bergbahn-Betreiber ihre Unternehmen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir dürfen schon dran erinnern: U-Bahnen und Obusse müssen viele Menschen benützen, um zur Arbeit zu kommen. Die Benutzung von Gondeln, Bubbles und dergleichen ist hingegen pures Hobby. Und was kostet eine FFP2-Maske im Vergleich zu einer Tageskarte in der Skiwelt Amadé? Am ersten Wochenende der Mozartwoche täte dort das Tagesticket nach heutigem Stand im Online-Verkauf mit 58 Euro zu Buche schlagen.

Grenzwertig sind nicht die FFP2-Masken, die „das Geduldsfass zum Überlaufen“ bringen (© Sepp Gruber, Großarler Bergbahnen), sondern die Präpotenz einer Sparte der Freizeitwirtschaft. Der Sprecher der Seilbahnwirtschaft, Erich Egger, darf unwidersprochen hinausposaunen: „FFP2-Masken braucht man sonst nur in OP-Sälen und Seniorenheimen.“ Ehrlich: Ich möchte nicht in den Ausdünstungen verschwitzter, schnaubender Skifahrer in einer Sechsergondel sitzen. Auch nicht zu dritt.

Demgegenüber wäre der Aufenthalt im Landestheater, im Großen Saal des Mozarteums oder im Großen Festspielhaus geradezu ein Gesundbrunnen. Selbst wenn alle Plätze besetzt wären. Aber darüber flammt keine Diskussion auf, ebensowenig über die geschlossenen Schulen und Universitäten. Aus solcher Prioritätensetzung im öffentlichen Diskurs kann man den Stellenwert von Kultur und Bildung unmittelbar ablesen.

Vielleicht sollten wir die Lehre draus ziehen und einfach den Hut drauf hauen?