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Salzburgs Unrechtsgeschichte

STICHWORT

19/01/16 „Salzburg darf sich rühmen, einer der ersten – wenn nicht die erste überhaupt – unter den Ostmarkstädten zu sein, die Adolf Hitler als Redner in Ihren Mauern sah.“ Ein Mail einer „Einzelperson aus Wien“ an das Büro des Landeshauptmannes soll den Stein ins Rollen gebracht haben. Der Vorwurf: In dem Buch „Salzburg – Wien: Eine späte Liebe. 200 Jahre Salzburg bei Österreich“ werde die NS-Zeit verharmlost.

Von Heidemarie Klabacher

Autor des inkriminierten Textes „Vom Talboden an die Spitze des Reiches. Der Gau Salzburg in der NS-Zeit“ ist der junge Salzburger Historiker und Journalist Andreas Praher. Praher war von 2006 bis 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg, ist wissenschaftlicher Projektmitarbeiter bei Publikationen von Stadt und Land Salzburg, Redakteur bei der „Salzburger Woche“ und Verfasser von Aufsätzen zur Salzburger Sport- und Fußballgeschichte. Derzeit schreibt er seine Dissertation - zum österreichischen Skisport im Nationalsozialismus.

„Die politische Herabsetzung Wiens bedeutete zwar nicht, dass die zweitgrößte Stadt des Deutschen Reiches für die Nationalsozialisten künftig keine Rolle mehr spielen sollte – im Gegenteil – die Donaumetropole mutierte zum Brückenkopf für den Vormarsch nach Südosteuropa und war in Hitlers Augen ‚eine Perle’, die ‚eine neue Blüte erleben sollte’ – aber der Sitz der Verwaltung für die ‚Ostmark’ lag jetzt nicht mehr an der Donau, sondern mitunter an der Salzach und in letzter Instanz an der Spree“, schreibt Andreas Praher etwa unter dem Zwischentitel „Rainers Machtansprüche für Salzburg – Der Kunststreit und andere Machtkämpfe“. Friedrich Rainer war Gauleiter für Salzburg und „Oberster Sportführer“ der Ostmark: „Für den Gau Salzburg bedeutete das eine Aufwertung innerhalb des ‚Dritten Reiches’.“

Welche Stellung hatte Salzburg bei den Nazis? Machtansprüche, Größen- und Inszenierungswahn der Nazi-Bonzen aufzuzeigen, sei eines seiner Anliegen gewesen, sagte Andreas Praher heute Dienstag (19.1.) bei der Buchpräsentation im Landesarchiv. Die Vorwürfe der Verharmlosung, der Verherrlichung der NS-Zeit zeigten, so Praher, „wie unaufgearbeitet das Thema noch ist“. Daher sei es auch so schwer, „sachlich über das Thema zu schreiben“. In den Jahrzehnten zwischen 1945 und 1990 sei kaum eine Aufarbeitung passiert, auch dieses Versäumnis sei „eine Art ‚Erbe’ mit dem es fertig zu werden gilt“. Wie schwer dieses Erbe der Verdrängung wiege, zeige sich, so Praher, auch bei seinen derzeitigen Recherchen für die Dissertation zum „Österreichischen Skisport im Nationalsozialismus“. Von den einzelnen Institutionen seien kaum Antworten, noch weniger Material zu erhalten: „Das ist alles verbrannt“, bekomme er häufig zu hören.

Das Buch „Salzburg – Wien: Eine späte Liebe. 200 Jahre Salzburg bei Österreich“ war jedenfalls, so betonen Landeshauptmann, Herausgeber und Autoren, nie als „Geschichte des Holocaust in Salzburg“ geplant.

Dennoch nehme man auch den Vorwurf einer „Einzelperson aus Wien“ überaus ernst. Wäre es tatsächlich angebracht gewesen, auch in diesem völlig anders gelagerten Kontext auf die Themen NS-Unrecht und NS-Verfolgung und NS-Vertreibung einzugehen? „Auf diese Themen kann man sich nicht in Nebensätzen einlassen“, sagte Landeshauptmann Haslauer. „Aber die Nicht-Erwähnung der Nazi-Verbrechen ist tatsächlich diskussionswürdig. Die Diskussion zeigt auf, dass es Handlungsbedarf gibt.“

Daher wird, quasi über Nacht beschlossen und aus dem Boden gestampft, ein eigenes Buchprojekt folgen. „Wir befassen uns in einem eigenen Band explizit mit Themen wie ‚Unrecht’ oder ‚Missbrauch der Justiz, aber innerhalb der ganzen zweihundert Jahre“, betont Haslauer. „Sieben Jahre NS-Zeit. Das zwanzigste Jahrhundert.... das wäre erst recht wieder zu wenig.“ Was war im Vormärz in Salzburg los? Was anno 1848? Wie war es in der Zeit des Neo-Absolutismus nach 1849? Fragen über Fragen.

Oskar Dohle, der Direktor des Salzburger Landesarchivs, sei bereits beauftragt worden, die zu diesen Themen vorhandene Literatur aufzuarbeiten: „Wir müssen das Rad ja nicht neu erfinden.“ Dann werde, voraussichtlich wieder von mehreren Autorinnen und Autoren, ein Band sozusagen mit der Unrechtsgeschichte Salzburg folgen.

Bild: LMZ / Franz Neumayr
Zur Meldung über die Buchpräsentation Hass-Liebe?

 

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