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Ehrendoktor ade!

STICH-WORT

15/10/14 Was verbindet Oskar Kokoschka, Herbert von Karajan, Peter Handke, Gérard Mortier, Kardinal Franz König, Viktor Frankl und Eduard Paul Tratz? Sie sind bzw. waren Ehrendoktoren der Universität Salzburg. Tratz, Begründer des Hauses der Natur, ist nun mit gutem Grund aus der erlauchten Runde hinaus geflogen.

Von Reinhard Kriechbaum

Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Universität Salzburg einen solchen Schritt setzt und ein Ehrendoktorat aberkennt. Die Ehrung sei „erschlichen worden“, heißt es in der Begründung des Senats: „Im Verfahren der Verleihung wurden wesentliche Tatsachen, nämlich die gravierende Verstrickung von Eduard Paul Tratz in nationalsozialistisches Unrecht, verschwiegen. Wäre dies bekannt gewesen, hätte die Ehrung nicht stattgefunden.“

Man ist den Untersuchungen von Robert Hoffmann gefolgt, der 2008 einen Aufsatz in der Zeitschrift „Zeitgeschichte“ veröffentlicht hat: „Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger ‚Hauses der Natur‘ in das ‚Ahnenerbe‘ der SS“. Unter anderem hat sich Tratz, hauptsächlich in den Jahren 1939 bis 1943, als SS-Hauptsturmführer an Kulturraub-Aktionen zugunsten des SS-Ahnenerbes in Ost- und Mitteleuropa, namentlich in Krakau und auf dem Gebiet der Sowjetunion, aktiv (und vor Ort) beteiligt. Dabei wurden unter anderem Exponate für das Salzburger „Haus der Natur“ requiriert, dessen Leiter Tratz war.

Ferner ist Tratz als Autor pseudowissenschaftlicher Publikationen sozialdarwinistischen Inhalts hervorgetreten; etwa mit dem Artikel „Kampf in der Natur“ (1943) im „SS-Leitheft“, einem vom SS-Hauptamt herausgegebenen Blatt. Dort betont er die Überlegenheit des „arischen“ und „naturnahen“ Wesens und beklagt Beeinträchtigungen durch „fremdrassige Belastungen“. In diesem Zusammenhang führt er etwa aus, dass ein tüchtiger Mensch mehr Gegner habe als ein bedeutungsloser; wenn nicht, dann sei er „eine Niete, die beseitigt werden muß“. In einer 1943 im  „Ahnerbe-Stiftung Verlag“ erscheinen Schrift beruft er sich auf die angeblich rücksichtlose Ausmerzung von „Krüppeln und Mißgeburten“ in der Natur, woran sich der Mensch ein Beispiel nehmen möge. Entscheidend sei nicht das Schicksal des Einzelnen, sondern das der Gesamtheit.

 „Allein schon die erwähnten Aktivitäten und Publikationen, welche im Verfahren der Verleihung verschwiegen wurden, lassen Herrn Tratz als unwürdig erscheinen, als Ehrendoktor der Universität Salzburg geführt zu werden“, heißt es in einer Erklärung. „Die schlichte Streichung aus der Liste der Ehrendoktoren wäre eine Verfälschung der Geschichte, und soll daher nicht stattfinden. Stattdessen soll der Widerruf angemerkt werden.“

Wie sieht das in der Praxis aus? Die Ehrendoktoren stehen in der Tabula Honorum sowie im Ehrenbuch der Universität. Dort, so heißt es, werde jetzt eigens vermerkt, dass Tratz‘ Ehrendoktorat vom Senat widerrufen wurde. „Im Einvernehmen zwischen Rektorat und Senat wird die Tabula Honorum der Universität Salzburg umfassend und gründlich auf mögliche weitere Problemfälle untersucht“, verspricht man.

Nicht auf sich warten ließ eine Reaktion der „Bürgerliste“ bzw. der „Grünen“, die daran erinnern, dass Eduard Paul Tratz nach wie vor Ehrenbürger der Stadt Salzburg ist. Diese Auszeichnung hat Tratz 1963 bekommen, zehn Jahre vor dem Ehrendoktorat der Universität. Gemeinderätin Ingeborg Haller: Die Stadt dürfe sich „nicht weiter hinter irgendwelchen formaljuristischen Argumenten verstecken“. Es sei „eine Schande für die Stadt, wenn ein Mensch mit dieser Verstrickung in das Nazi-System noch immer Ehrenbürger ist“.

Der Salzburger Historiker Gert Kerschbaumer und der ORF-Journalist Gerald Lehner waren die ersten, die sich mit der Machenschaften von Eduard Paul Tratz in der Nazi-Zeit beschäftigt haben. Viel Lesenswertes findet sich dem Blog „zwischen tibet, auschwitz & dachau“, der den bezeichnenden Untertitel trägt: „Das Haus der Natur in Salzburg – Museum der verhinderten Erinnerung“. Die Verbindungen zwischen Tratz und Heinrich Harrer sind dem leidenschaftlichen Alpinisten Gerald Lehner ein besonderes Anliegen.

Es muss freilich auch gesagt werden, dass man im Haus der Natur in den letzten Jahren viel Material aufgearbeitet, Bestände durchforstet und die Ergebnisse auch in Ausstellungen publiziert hat. Auf der Website des Museums findet man – etwas versteckt – etwas darüber. Eine Sonderausstellung über die Geschichte des Hauses verschweigt auch die "dunklen Jahre" nicht und geht mit der gebotenen kritischen Sicht auch auf Tratz und seine Verbindung zum SS-Ahnenerbe ein. Dort steht auch der Aufsatz von Robert Hoffmann zum Download bereit.

Das Geschichtsprojekt im Haus der Natur - www.hausdernatur.at/geschichtsprojekt Der Aufsatz von Robert Hoffmann über Eduard Paul Tratz
Der Blog von Gerald Lehner zwischen tibet, auschwitz & dachau

Archivbild: Haus der Natur

Zum DrehPunktKultur-Ausstellungsbericht Vom Vogelmuseum zur Arier-Propagandaschau
Zur Dokumentation Eduard Tratz und das „SS-Ahnenerbe“

 

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