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Stimmbänder

STICH-WORT

30/08/12 Wer sagt, dass man sich in Salzburg sommersüber nur mit Stimmbändern von Koloratursopranistinnen, Countertenören und ihren Kolleginnen und Kolleginnen der tieferen Regionen beschäftigt? Auch Elefanten und Bio-Tauernlämmer haben Stimmbänder. Und was man damit alles anstellen kann!

Von Reinhard Kriechbaum

Botox: Das Mittel aus der Hexenküche für Schönheitschirurgen taucht im Festspielbezirk öfter mal auf. In die Lippen injiziert, bringt es einen sexy Kussmund (solange man nicht übertreibt). Manches Fältchen um die Augen ist so auch schon zum Verschwinden gebracht worden.

altSzenenwechsel. Während sich in den Festspielhäusern die Sängerinnen und Sänger einsingen, stehen in einem Seminarraum im Heffterhof Damen und Herren mit Plastikschürzen da. Das erinnert ein wenig an eine Betriebratssversammlung im Schlachthof, aber hier geht es um ganz etwas anderes. Es sind HNO-Ärzte, die demnächst das Botox-Spritzen in Stimmbänder üben werden. Das hat keine schönheitschirurgischen Zwecke, sondern es dient der Stimmverbesserung bei Lähmungen und anderen Defekten an den Stimmlippen.

Wie üben Stimmärzte ihr Handwerk? Josef Schlömicher-Thier, Betriebsarzt bei den Festspielen und in den vergangenen Wochen als Stimm-Spezialist gar nicht selten Sänger-Retter in letzter Minute, hat Kehlköpfe von Bio-Tauernlämmern besorgt. „Die entsprechen besser als solche von Schweinen“ erklärt er. Diese Kehlköpfe werden in Plastik-Köpfe geklemmt. An diesen Dummies also trainieren die Stimmärzte, wie man Injektionsnadeln korrekt ansetzt und wie man zugleich mit der anderen Hand das Stäbchen mit dem Mini-Objektiv hält: Es braucht ja eine präzise Innenschau. Auf dem Bildschirm kann man live mitverfolgen, wo es lang geht im Schlund.

Josef Schlömicher-Thier ist übrigens der einzige Arzt in Österreich, der Stimmband-Operationen in seiner Ordination bei örtlicher Betäubung durchführt. „Diese Technik habe ich noch an der Charité in Berlin kennen gelernt“, sagt der Stimmarzt. Es wäre schade, wenn solche Behandlungstechniken ohne Narkose verloren gingen. Knoten und Zysten an den Stimmbändern – also Defekte an der Oberfläche – könne man auf diese Weise entfernen. „Arzt und Patient begegnen einander auf gleicher Augenhöhe.“

Üben also mit den Kehlköpfen von Bio-Tauernlämmern, deren andere Teile im Dinner-Menü für Festspielgäste landen. Christian Herbst, ebenfalls ein Salzburger, hat sich am Department für Kognitionsbiologie an der Universität Wien ebenfalls tierischen Stimmbändern gewidmet, aber solchen von Elefanten. Die Rüsseltiere kommunizieren, so weiß man schon lange, miteinander auch im Infraschallbereich. Das hören Menschen also nicht. Wie die Elefanten diese Töne mit langen Amplituden erzeugen, war bisher nicht bekannt. Der Stimmforscher und Kognitionsbiologe Christian Herbst hat mit seinen Kolleginnen und Kollegen das Geheimnis gelüftet: Auch Elefanten haben Stimmlippen (Stimmbänder), wie alle Säugetiere. Und weil diese bis zu acht Mal länger sind als beim Menschen, schwingen sie entsprechend langsamer, weniger als zwanzig Mal in der Sekunde. Was gäbe ein mittelgroßer Elefant doch einem Opernchor für eine profunde Tiefe!

So nebenbei haben Christian Herbst und sein Team auch herausgebracht, dass Elefanten heiser werden können wie schreiende Babys oder Heavy-Metal-Sänger. „Dieses Forschungsprojekt zeigt eindrucksvoll, dass die physikalischen und physiologischen Prinzipien, wie wir sie von der menschlichen Stimme kennen, für eine Vielzahl von Säugetieren gelten: von extrem hohen Ultraschall-Lauten der Fledermäuse bis eben zu den tiefen Infraschall-Lauten der Elefanten (den größten an Land lebenden Säugetieren), über eine beeindruckende Größenordnung von mehr als vier Zehnerpotenzen.“

Mit seinen Forschungen an Elefantenstimmbändern hat es Christian Herbst unlängst sogar ins angesehene amerikanische Wissenschaftsmagazin „Science“ gebracht.

Bilder: dpk-krie (2); Universität Wien (2)

 

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