Krieg und Musik

STICH-WORT

10/06/22 Derzeit ist jeder Konzertveranstalter gut beraten, ehzeitig nachzudenken über Musikerinnen und Musiker russischer Herkunft. Ist es opportun, sie einzuladen? Das Barockfest am Sonntag (12. Juni) im DomQuartier mit seinem Motto In varietate concordia gibt Gelegenheit, über Krieg und möglichen Frieden in der Musik nachzudenken.

Von Reinhard Kriechbaum

Auf dem Programm-Folder steht: „Der Musik des Barock waren Grenzen und Trennendes fremd.“ Das ist gar blauäugig formuliert. Natürlich hatten der Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs und andere Scharmützel erhebliche Auswirkungen auf die Musiker der Epoche. Selbst ein hoch Arrivierter wie Heinrich Schütz klagte, dass „die löbliche Music von den anhaltenden gefährlichen Kriegs-Läufften in unserm lieben Vater-Lande Teutscher Nation nicht allein in grosses Abnehmen gerathen, sondern an manchem Ort gantz niedergeleget worden“ sei. Seine Kleinen geistlichen Konzerte zum Beispiel sind deshalb „klein“, also solistisch besetzt, weil viel mehr Geld in die Kriegsführung als in die Hofkapellen floss. Schütz hatte Genie genug, „damit mein von Gott verliehenes Talentum in solcher edlen Kunst nicht gantz ersitzen bleiben, sondern nur etwas weniges schaffen und darreichen möchte“.

Aber freilich: Trotz aller kriegerischer Auseinandersetzungen und machtpolitischer Schachzüge kam der musikalische Austausch innerhalb des Europas in der Barockzeit nie zum Erliegen. Trotz Dreißigjährigem Krieg reiste Heinrich Schütz nach Italien, blieb mehr als ein Jahr lang im (erzkatholischen) Venedig, nahm – wiewohl immer noch und auf Lebenszeit Hofkapellmeister in Dresden – von 1642 bis 1644 im (protestantischen) Kopenhagen den Job als dänischer Oberkapellmeister an.

Der Komponist und Geiger Salomone Rossi aus Mantua schrieb ziemlich genau zur gleichen Zeit exquisite jüdische Psalmenvertonungen und versuchte so die Grätsche zwischen jüdischer Musik und der damals aktuellen Musik. Dessen Lebensspur verliert sich übrigens nach 1628. Man nimmt an, dass er bei der österreichischen Invasion während des Mantuanischen Erbfolgekriegs ums Leben kam, entweder bei den damit verbundenen antisemitischen Ausschreitungen oder durch eine in Kriegszeiten ausgebrochene Seuche.

So viel also zum Musik-Frieden in kriegerischen Zeiten. Reise und Flucht – Frieden und Krieg ist beim Barockfest im DomQuartier Motto des Eröffnungskonzerts (17 Uhr), eben auch mit Musik von Schütz und Rossi. Es singt das Collegium Vocale der Bachgesellschaft unter der Leitung: Michael Schneider, es spielt das Gambenconsort der Universität Mozarteum. Am Ende des Konzertreigens heißt es, auch wieder mit dem Collegium Vocale, diesmal mit dem Barockorchester der Universität Mozarteum, Da pacem Domine. Hier erklingt etwa ein Stück von dem Böhmen Jan Dismas Zelenka vor, der französische und italienische Stilelemente in seinem Werk vereint.

Viel musikalischer Kulturaustausch auch in den als Wandelkonzert angelegten Programmfolgen in den Prunkräumen der Residenz: Da führt das Ensemble Cameo von Italien nach Frankreich. I Fifari della Serenissima schicken die Flöte auf Europareise, auch das Viola da Gamba Consort der Universität Mozarteum sucht multilaterale Wege. Licht und Schatten findet das Ensemble tone:scape.

Das Barockfest wird von der Salzburger Bachgesellschaft und dem Institut für Alte Musik an der Universität Mozarteum ausgerichtet. Die beiden temperamentvollen Trompetenengel stammen übrigens von Johann Michael Rottmayr (1656-1739) aus in einem Fresko im Audienzzimmer der Residenz. Man muss gar nicht weit gehen, um in Salzburg einen anderen Rottmayr zu finden. In der ehemaligen Winterreitschule (jetzt Karl-Böhm-Saal im Festspielhaus-Komplex) hat er das Türkenstechen dargestellt. Das sollte uns auch nachdenken lassen über den Umgang mit Feinden im Europa mit seinen hoch stehenden Werten.

Barockfest im DomQuartier, Sonntag (12.6.), 17-21 Uhr in den Prunkräumen der Residenz – www.domquartier.at; www.salzburger-bachgesellschaft.at
Bild: DomQuartier / Ghezzi