Russische Nationalpost

STICH-WORT

15/03/22 Wirtschaftskontakte zu Russland zu minimieren – das ist angesichts des von Putin vom Zaum gebrochenen Krieg in der Ukraine absolut angebracht. Wie aber hält man's mit den Kulturkontakten? Ist es statthaft und sinnvoll, den Stab auch über russische Kunst welcher Ära auch immer zu brechen?

Eine aktuelle Produktion des Salzburger Theater ecce gilt dem Theaterstück Russische Nationalpost – Lachkabinett für einen einsamen Rentner von Oleg Bogajew. Die nächste Vorstellung ist am Samstag (19.3.) im Kleinen Theater . Dazu hat der Leiter des Theater ecce, Reinhold Tritscher, ein Statement veröffentlicht.

„Angesichts des erschütternden Krieges ist es zur Zeit fast unmöglich, ein Stück mit diesem Titel zu seinem Publikum zu bringen. Aber genauso wie wir uns solidarisch zeigen mit allen sinnlosen Opfern dieses sinnlosen Krieges auf allen Seiten, verweigern wir uns einseitiger 'Sippenhaftung'. Gerade jetzt erscheint es uns wichtig, Stimmen von Künstlerinnen hörbar und sichtbar zu machen, die diesen Krieg nicht gemacht haben und nicht wollen. Wir wollen im Dialog bleiben mit Menschen, die sich künstlerisch mit universellen menschlichen und gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen, egal hinter welche Staatsgrenze sie vom Schicksal geworfen wurden. Was uns alle verbindet, ist eine universelle Menschlichkeit, der wir nicht entrinnen werden. Mit der Figur des skurrilen, einsamen alten Rentners Shukov gibt Oleg Bogajev auch Einblick in eine 'Generation der enttäuschten Hoffnungen'. Durch die aktuellen Ereignisse verliert der Text meiner Meinung nach nichts von seiner allgemein menschlichen Relevanz über alle Nationalitätsgrenzen hinweg. Wir wollen unsere Grenzen offen lassen für die Menschlichkeit.“

Der Autor Oleg Bogajew ist wohl keiner, dem man Putin-Nähe vorwerfen könnte. Er wurde 1970 in der Stadt Swerdlowsk (heute Jekaterinburg) in Russland geboren. Das Aufwachsen in jener Zeit, als der Kalte Krieg der Perestroika Platz machte, ist ein Thema in seinem literarischen Werk. Ein „Wechsel vom Zerfall des Imperiums zur Geburt einer neuen Gesellschaft“, formulierte er die Situation einmal – des Schriftstellers Wort in Gottes Ohr! Die sozialen Turbulenzen der letzten Jahrzehnte hält Oleg Bogajew jedenfalls für nützlich für künstlerisches Schaffen: „Was ich weiß, ist, dass Russland genau der richtige Ort für einen Dramatiker ist – mit Schicksalsschlägen, Konflikten, zerbröckelnden Hoffnungen, Zusammenstößen von Ideen – all das, was ich gesehen und erlebt habe.“

Für sein Stück Russische Nationalpost hat Oleg Bogajew 1997 den Anti-Booker-Preis gewonnen und auch den Preis für das beste Stück beim russischen Golden Mask Festival. Die Produktion des Theater ecce ist die deutschsprachige Erstaufführung des Stücks. Jurek Milewski spielt in der Regie von Gerard Es. (Theater ecce/dpk-krie)

Aufführungen am Samstag (19.3.) und am 8. April im Kleinen Theater – www.kleinestheater.at
Bilder: Theater ecce / Sigrid Riepl (1); wikipedia.org (1)