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Und wie hält's die Netrebko mit Putin?

STICH-WORT

01/03/22 Mit einem einfachen Distanzieren vom Ukraine-Krieg allein ist's derzeit nicht getan, und mit einem lauwarmen Statement schon gar nicht. Das hat Anna Netrebko nun in Zürich lernen müssen. Als "unpolitisch" werden sich auch Künstlerinnen und Künstler bei den diesjährigen Festspielen wohl nicht davonstehlen können.

Von Reinhard Kriechbaum

Wie andernorts auch sind vor dem Opernhaus Zürich derzeit die Fassadenscheinwerfer auf Gelb und Blau gestellt, die Farben der ukrainischen Flagge. Die „völkerrechtswidrige und menschenverachtende Aggression verurteilen wir auf das Schärfste“, ließ Andreas Homoki, Intendant des Opernhauses Zürich, heute Dienstag (1.3.) verlauten. „Sängerinnen und Sänger tragen die Nationalfahne beim Schluss-Applaus nach Vorstellungen und wir stehen im Austausch mit unseren rund vierzig Mitarbeitenden aus der Ukraine und aus Russland über persönliche Auswirkungen auf sie und ihre Familien und über weitere Aktionen und Aktivitäten des Opernhauses.“

Wie verträgt sich das mit dem geplanten Engagement von Anna Netrebko, die hier Ende März zwei Mal hätte auftreten sollen? Gar nicht. Natürlich wurden auch in Zürich rasch Forderungen laut, das Engagement mit der russischen Sopranistin Anna Netrebko unvermittelt zu kündigen. Ein Auftritt von Anna Netrebko sollte nur stattfinden dürfen, wenn sie sich unverzüglich von Russland und Putin distanzierte.

Dazu erklärt der Opernintendant: „Wir fanden insbesondere den zeitlichen Druck dieser Forderung nicht fair und haben der Künstlerin ganz bewusst Raum gegeben die Situation zu reflektieren und eine eigene Position zu den Ereignissen zu finden und zu artikulieren. Auch rückblickend sind wir der Auffassung, dass dieses Vorgehen richtig war und einem wertschätzenden Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern des Hauses gerecht wird.“ Andreas Homoki betont, dass dieses Vorgehen „in keinerlei Zusammenhang mit zu erwartenden Eintrittseinnahmen“ gestanden sei.

Am Samstagabend hat Anna Netrebko in einem Statement den Krieg in der Ukraine ausdrücklich verurteilt und den Menschen in der Kriegsregion ihr Mitgefühl ausgedrückt. „Wir bewerten dieses Statement der Künstlerin positiv und nehmen zur Kenntnis, dass sie sich darüber hinaus nicht von Wladimir Putin distanzieren konnte“, so Andreas Homoki dazu. „Wir halten es grundsätzlich nicht für angemessen, aus der Perspektive einer west-europäischen Demokratie, die Entscheidungen und Handlungen von Bürgerinnen und Bürgern repressiver Regime zu beurteilen.“

Der Zürcher Intendant fand sich in einer Zwickmühle, denn „unsere entschiedene Verurteilung von Wladimir Putin und seinem Handeln einerseits und Anna Netrebkos öffentliche Position dazu andererseits“ seien „nicht kompatibel“. Aus dem Dilemma hat ihn Anna Netrebko nun befreit und kundgetan, dass sie vor dem Hintergrund der aktuellen Lage nicht singen möchte. Die Netrebko im Wortlaut: „This is not a time for me to make music and perform. I have therefore decided to take a step back from performing for the time being. It is an extremely difficult decision for me, but I know that my audience will understand and respect this decision.”

Kurz: Statt der Netrebko singt in Zürich am 26. und 29. März Veronika Dzhioeva die Lady Macbeth. Und auch in Mailand sieht man sich gerade nach Ersatz für sie um. Dort wäre sie am 9. März in Adriana Lecouvreur aufgetreten. Bemerkenswert ihre Begründung auf Facebook: Es sei „nicht richtig, Künstler oder andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu zwingen, ihre politische Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern und ihr Heimatland anzuprangern“. Sie sei wie viele ihrer Kollegen „kein politischer Mensch“ und schon gar kein „politischer Experte“. Als Künstlerin sei es ihr Ziel „Menschen über politische Grenzen hinweg zu vereinen“.

Gut für die Salzburger Festspiele, dass sie heuer weder Anna Netrebko noch Valery Gergiev unter Vertrag haben. Das Festspiel-Direktorium gab heute Dienstag (1.3.) eine Erklärung zur aktuellen Lage heraus. Man zitiert eingangs aus einem der Hauptwerke im vergangenen Festspielsommer, Luigi Nonos Intolleranza: Zu keiner Zeit war der Wille, frei zu sein, bewusster und stärker. Zu keiner Zeit war die Unterdrückung gewalttätiger und besser ausgerüstet.“ Weiters schreibt das Direktorium:
Die Salzburger Festspiele verfolgen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit tiefer Bestürzung. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gelten dem ukrainischen Volk und all jenen in der russischen Bevölkerung, die jede Form von militärischer Aggression ebenso wie wir klar ablehnen.
Wir bekennen uns ausdrücklich zum Gründungsauftrag der Salzburger Festspiele, ein Friedensprojekt im Geiste der Toleranz und Humanität zu sein.
Die Salzburger Festspiele sind ein internationales Festival mit Besucherinnen und Besuchern sowie Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt und fühlen sich diesen kulturell und freundschaftlich verbunden. Wir sehen jedoch keine Grundlage für eine künstlerische oder wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Institutionen oder Einzelpersonen, die sich mit diesem Krieg, dessen Betreibern und deren Zielen identifizieren.“

Es besteht, auch ohne Netrebko und Gergiev, erhöhter Distanzierungsbedarf. Mit dem Argument „unpolitisch“ kommt heuer niemand weg.

Bild: dpk-klaba
Zur Hintergrund-Geschichte „Unmöglich und unlieb geworden“

 

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