Nikolaus und Chauffeur

STICH-WORT

04/12/20 Nie und nimmer hätten wir gezweifelt daran, dass Nikolaus und Krampus ein Wort-Zwilling ist, der durch nichts und niemanden auseinander zu dividieren ist. Wir sind eines Besseren belehrt worden: durch eine „Handlungsanweisung“ des Forums Salzburger Volkskultur.

Von Reinhard Kriechbaum

Eine Szene wie auf diesem Bild vom Salzburger Christkindlmarkt geht heuer natürlich gar nicht. Ob Gasteiner Krampusse – es gäbe dort um die hundert Passen – morgen ihre traditionellen Routen durch die Weiler des Tales, von Hof zu Hof und Haus zu Haus ziehen werden, ist ungewiss. Die gehörnten Fellzottel sind heuer ja die Angeschmierten, weil im Gegensatz zum heiligen Nikolaus sind sie nicht als systemrelevant eingestuft worden. Bisher nichts gelesen hat man von der nahe liegenden Lösung, anstatt am 5. Dezember die halbe Nacht durchzulaufen, an mehreren Tagen die Stunden von der Dämmerung bis 20 Uhr zu nutzen.

Das wäre zwar nicht ganz nach den Brauch-Usancen, aber das Ausgehverbot ab 20 Uhr könnte man so ganz locker umgehen. Die Abstandsregeln sind sowieso kein Problem: Wer kommt schon freiwillig einem Krampus nahe – und wenn: Die holzgeschnitzten Larven sind wahrscheinlich der bessere Mund- Nasenschutz als jede FPP2-Maske. Die hätte vielleicht auch unter dem Kopfputz noch Platz, was aber obrigkeitlicherseits zugegebenermaßen schwer zu kontrollieren wäre.

Wir reden hier wohlgemerkt von den „echten“ Krampus-Umzügen, nicht von jenen Schauläufen rund um die Punschstände, bei denen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer unterdessen meist hinter Scherengittern drängen und allerlei Halligalli angesagt ist.

Der Salzburgische Krampus-Brauch sieht für eine Pass im Regelfall einen Nikolaus, ein oder zwei Engel, einen Guatzltzräger, aber denen gegenüber eine entschieden größere Zahl an Krampussen vor. Fast wundern wir uns, dass die Verfechter der Demokratie und Befürworter persönlicher Freiheit nicht längst für die Krampusse auf den Barrikaden stehen: Jede Wette, dass Abstimmungen zur Systemrelevanz weit zugunsten der gehörnten Angsteinflößer ausginge und nicht für den ehrenwerten, aber stinklangweiligen Heiligen. Da könnte man ruhig die Kinder (die nach Ansicht fortschrittlicher Pädagogen vor Schreckfiguren geschützt gehören) mitstimmen lassen. Es würde sich am Ergebnis wenig ändern.

Doch jetzt zu den „Maßnahmen mit Empfehlungen für Nikolaus-Besuche“, die man auf der Website der Salzburger Volkskultur downloadnen kann. Sie wurden „ausgearbeitet mit dem Landesverband Salzburger Heimatvereine in Zusammenarbeit mit Juristen und Experten“, beanspruchen also, hieb- und stichfest zu sein. Hiebe und Stiche sind allerdings ein schräges Bild, weil in der gesamten Handlungsanleitung kein Wort über den Krampus verloren wird.

Nikolaus muss als Zwillingswaise unterwegs sein und darf sich der Haustüre bestenfalls nähern. Keine weiteren Details hier, nur Eines: Nichts ist diesmal mit Schnapseinflößung hinter dem weißen Bart (Im Wortlaut: „keine obligatorischen Getränkerunden“). Da könnte man sich das Nikolaus-Sein glatt abgewöhnen und auf die Systemerhalterei Kraft des Amtes pfeifen.

Der Krampus ist für heuer rausgeflogen, was bei einem der publikumswirksamsten Bräuche im Land schon an Selbstverleugnung grenzt. „Der Nikolaus soll ALLEINE von Haus zu Haus ziehen“, heißt es jedenfalls dezidiert, „maximal mit einem Fahrer“.

Vielleicht ist das der Knackpunkt? Die Berufskleidung von Kraftfahren ist unseres Wissens nirgendwo reglementiert. Das Krampuskostüm hinter dem Volant mag unbequem sein, die Larve den Blickwinkel des Lenkers einschränken und die schweren Schellen beim Sitzen obendrein aufs Kreuz drücken. Aber Krampuslaufen ist ja auch sonst kein Honiglecken. Im Wort „Chauffeur“ steckt das französische chauffer, heizen. Das ist ja auch Brotberuf des Krampus? Und dass Autofahrer sowieso des Teufels sind, dem werden nicht nur eingefleischte Grüne leicht zustimmen können.

Bild: Salzburg Altstadt / Christkindlmarkt / Franz Neumayr