Seit 150 Jahren auch Frauensache - oder gar länger?

STICH-WORT

06/09/19 Deutschlehrer werden die Stirn runzeln, wenn sie lesen: Berg, die (Substantiv, feminin) – Frauen im Aufstieg. So heißt die Dauerausstellung in der zweiten Etage der Nationalpark-Infostelle auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe.

Der Anlass: Vor 150 Jahren haben vermutlich die ersten beiden Frauen den Großglockner erklommen. Jedenfalls sind's die ersten beiden gesicherten Damenbesuche auf Österreichs höchstem Gipfel: Am 24. Juli 1869 bestieg ihn die Alpinistin Mary Whitehead aus England, einen Monat später – wahrscheinlich am 25. August machte sich die Salzburgerin Anna von Frey dorthin auf.

Das Kuratoren-Team der Schau – Sibylle Kampl, Andreas Zangl und Markus Meierhofer – hat sich ans Recherchieren gemacht, und ist auch auf andere Namen gestoßen: War die erste Frau am Großglockner womöglich Elisabeth Hanser aus Kals, dreizehn Monate zuvor (am 30. Juni 1868) die unbekannte Einheimische – und deshalb als nicht „dokumentierenswert“ erachtete – Kalserin? Oder war es gar schon im September 1857 Sidonia Theres Schmidl aus Heiligenblut? Sie sei, so ist überliefert, von den (männlichen) Bergführern nur bis zum Kleinglockner begleitet worden, um einer Frau den Triumph der Erstbesteigung des Großglockners zu verwehren.

Jedenfalls gibt es guten Grund zur Annahme, dass Mary Whitehead und Anna von Frey nicht die allerersten waren, sondern einheimische Frauen dort Höhenluf geatmet haben. Nur nahm halt niemand wirklich Notiz davon.

Ausstellungskuratorin Sibylle Kampl: „Besonders spannend war es für uns, der Frage auf den Grund zu gehen, mit welchen gesellschaftlichen Vorurteilen und Hindernissen all diese Frauen zu kämpfen hatten. Welchen Ungerechtigkeiten und Schwierigkeiten zum Trotz sie dann dennoch die Berge für sich – und damit auch für alle nachkommenden Frauen – erobert haben.“

Wer waren die ersten Frauen am Berg? Die ersten Alpin-Pionierinnen waren beinahe ausschließlich privilegierte Frauen aus aristokratischen und großbürgerlichen Kreisen. Frauen wie Kaiserin Elisabeth, Hortense de Beauharnais oder Marie von Preußen wurden zu prominenten Vorbildern. Die alpine Bevölkerung dagegen hatte zu dieser Zeit wenig Verständnis für die Abenteuer dieser wohlhabenden Damen, die in nobler Bekleidung mit Rock, Bluse und Hut in die Berge gingen. Denn für viele einheimische Frauen war das Begehen der Berge ohnedies alltäglich. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt als Sennerin, als Botin, als Schmugglerin oder als Ehefrau eines Bergführers oder Hüttenwirts. So manche wurde dabei als Lastenträgerin ungewollt zur Erstbesteigerin – aber diese Leistungen wurden natürlich nicht dokumentiert und diese Frauen bleiben bis heute unerkannt und unbekannt.

Ein weiterer Abschnitt der neuen Ausstellung widmet sich eben jenen Frauen – von gekrönt und adelig über bürgerlich und wohlhabend bis hin zu einheimisch und arm –, die als Pionierinnen des Alpinismus gelten. Angefangen bei der Magd bzw. Kellnerin Marie Paradis, die 1808 überredet worden sein soll, auf den Mont Blanc zu steigen bis hin zu den Französinnen, Britinnen oder Amerikanerinnen, die aus den starren Konventionen ihrer Zeit ausbrachen. An der Seite ihrer Ehemänner, aber auch allein machten sie sich auf den Weg. Nicht selten nehmen diese Pionierinnen auch in gesellschaftlicher Hinsicht eine Vorreiterrolle ein: Sei es als Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht, als Gründerin von sozialen Einrichtungen oder als Autorinnen in Zeitschriften.

Vielen Bergsteigerinnen wurde früher vorgeworfen, sie seien unfähig zu wahrer Freundschaft und Kameradschaft und daher nicht in der Lage, alpine Leistungen zu vollbringen. Auch heute noch haben sowohl Frauen aber auch Männer in den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit Vorurteilen zu kämpfen. An einer interaktiven Station können die Besucherinnen und Besucher unter dem Motto „Schlag das Vorurteil!“ anhand verschiedener Fragen herausfinden, wie es denn so um die eigenen Vorurteile bestellt ist.

Im Besucherzentrum auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe (auf 2.369m) gibt es, auf vier Stockwerken, 1.500 m² Ausstellungsfläche. Im Erdgeschoß ist die Nationalpark-Infostelle untergebracht. (ots)

Bilder: Grohag