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Mutterschutz für die Kindsmörderin

STICH-WORT

12/04/19 Medea ist nicht unbedingt eine Sympathieträgerin: Von Jason sitzen gelassen, ermordet sie nicht nur den König von Korinth und dessen Tochter, in die sich ihr Gatte verschaut hat. Sie tötet auch die beiden Söhne, die Jason mit ihr gezeugt hat. Gut, dass wir nicht mehr im klassischen Griechenland leben. Heutzutage greift in Krisensituationen die Sozialgesetzgebung.

Von Reinhard Kriechbaum

Opern über diesen Stoff finden sich in ansehnlicher Zahl, vom Beginn dieser Kunstform weg (Francesco Cavallis Giasone, von 1649 ist die älteste, die Wikipedia kennt). Die Festspiele haben sich für den kommenden Sommer Luigi Cherubinis Médée aus dem Jahr 1797 vorgenommen.

Aber wir wollen nicht in die trockene Musikgeschichte eintauchen und auch nicht von Kindsmord erzählen, sondern von etwas durch und durch Erfreulichem: Sonya Yoncheva hätte im Sommer die Titelrolle singen sollen, aber sie erwartet im Frühherbst ihr zweites Kind. „Die Arbeitszeiten im österreichischen Mutterschutzgesetz erlauben es ihr nicht, alle Proben- und Aufführungszeiten wahrzunehmen“, heißt es in einer Aussendung der Festspiele heute Freitag (12.4.). Die potentielle Kindsmörderin geht also in Karenz.

Die russische Sopranistin Elena Stikhina übernimmt die Partie der Médée. Nach spektakulären Debüts an der Pariser Opéra und der Metropolitan Opera in New York hat sich die junge Sopranistin im lyrischen Spinto-Fach bereits einen Namen gemacht. In Kritiken wurde ihr Singen als leuchtend, ihre Bühnenpräsenz als magnetisch und ihre Technik als phänomenal gepriesen. In der laufenden Spielzeit sang sie Leonora (La forza del destino) an der Semperoper Dresden, die Titelrolle in Suor Angelica an der Metropolitan Opera in New York sowie Brünnhilde (Siegfried) und Gutrune (Götterdämmerung) in konzertanten Aufführungen in Paris. An der Niederländischen Nationaloper debütierte sie als Cio-Cio-San (Madama Butterfly). Wenn sie im August die Médée singt, ist das natürlich ihr Festspieldebüt.

Elena Stikhina schloss ihre Studien 2012 am Moskauer Staatlichen Konservatorium ab und erregte rasch internationale Aufmerksamkeit, als sie 2014 den ersten Preis bei der Competizione dell’Opera in Linz und 2016 den Publikumspreis sowie den Culturarte-Preis bei Plácido Domingos Operalia-Wettbewerb gewann. Sie tritt regelmäßig als Gastsolistin am Mariinski-Theater in St. Petersburg auf, nachdem sie sich die Basis ihres Repertoires an der neuen Primorski-Bühne des Mariinski-Theaters in Wladiwostok erarbeitet hat.

Cherubinis Médée hat in der Regie von Simon Stone und unter der musikalischen Leitung von Thomas Hengelbrock am 30. Juli im Großen Festspielhaus Premiere, weitere Vorstellungen sind am 4., 7., 10., 16. und 19. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bild: Salzburger Festspiele

 

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