asdf
 

Der kleine Marathon gegen die großen Parteitage

FESTSPIELE / SCHOSTAKOWITSCH-ZYKLUS 1

19/08/11 Zwei Nachmittage und zwei Abende sind durchaus ausreichend, um alle 15 Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch aufzuführen. Was sich ein Veranstalter - außerhalb eines runden Jubiläums - dabei denkt, ist eines. Wie das Publikum damit zurecht kommt, iist ein anderes. Hut ab, jedenfalls, vor dem Mandelring Quartett. Sebastian, Nanette und Bernhard Schmidt sowie Roland Glassl sind dem Werk kongeniale Exekutoren.

Von Erhard Petzel

Ab Donnerstag - 18. August 16 Uhr waren - die ersten acht Streichquartette zu hören mit Pausen nach jeweils ein oder zwei „Konzerten“. Das Marathon-Publikum änderte sich nur leicht und blieb nach jedem Block, um euphorisch zu applaudieren und den Musikanten seine Begeisterung zuzurufen.

Es gibt in diesem Rahmen auch genug Zeit zu reflektieren, wie sich die Lebensumstände auf das kompositorische Werk niederschlagen. Vom ersten bis zum achten Streichquartett reicht der Zeitraum von 1938 bis 1960. Die Frage, ob man mit seiner Arbeit im Konzert vor der interessierten Öffentlichkeit bestehen oder ob eine Diktatur mit ihren absurden Regeln bedient werden will, ist auch eine auf Leben und Tod.

Dieses triviale Wissen im Hören umzusetzen, ist eine ständige Versuchung. Ist aber auch eine Herausforderung, die historische Situation einfach beiseite zu lassen - und auf die technische Arbeit in absoluter Musik einzugehen. Sprich: die Kreativität des Komponisten als heutiges Publikum auszukosten. Dafür ist Schostakowitsch sicher ein besonders ergiebiger und dankbarer Fall. Die Streichquartette wiederum sind als sehr kompakte Spiegel des „Personiversums“ für solche Auseinandersetzungen in hohem Maß prädestiniert.

So sitzt man vor einem spannenden Werk, das seltsam anmutet in seiner Mischung aus Neoklassizismus, gebrochener Folklore und dem weiten Spannungsbogen zwischen martialischem Gestus und sphärischem Verhauchen. Über allem eine schmerzlich-resignative Grundstimmung. Folklore-Motive klingen zwar häufig nach Bartok, der sich aus Begeisterung aus solchen Motiven eine spezifische Personalsprache herausgearbeitet hat. Wenn die allmächtige Behörde so etwas aber vorgibt, wendet ein intellektueller Geist wie Schostakowitsch subversive Methoden der Verarbeitung an.

Die andere Position markiert beispielsweise das Quartett Nr. 5 B-Dur op. 92 aus dem Jahr 1952, das seine drei zusammenhängenden Sätze streng aus einem thematischen Ausgangsmaterial schöpft.

In Richtung Bach’scher Spekulation geht es im Quartett Nr. 8 c-Moll op. 110 aus dem Jahr 1960: wenn Dimitri SCHostakowitsch die Initialen seines Namens zum Thema d-es-c-h formt und daraus Musik schafft, in der er bewusst seinen Anspruch als Individuum gegen die verordnete Vermassung einer Ideologie-Kultur stellt. Dass die Tonarten des Großteils der Quartette in Terzabständen wechseln, scheint mehr für das konstruktivistische Interesse des Komponisten zu sprechen, als bloß Zufall zu sein.

Ob Persiflage auf die Verhältnisse des realen Sozialismus oder Kampf des Künstlers um seine individuelle Kreativität: immer entsteht Musik mit starker Suggestion und reicher Palette an Farbe und Ausdruck. Zu bewundern ist das Mandelring Quartett. Sebastian, Nanette und Bernhard Schmidt sowie Roland Glassl (Viola) arbeiten konzentriert Nuancen und Feinheiten heraus, steigern sich in die brutalen Rausch-Kaskaden hinein, ohne die Kontrolle über Ton und Klang preiszugeben. Sie sind dem Werk kongeniale Exekutoren.

Was bleibt? Außer der zufriedenen und leicht übersättigten Erschöpfung, wie sie sich sonst nach einem großen Bühnenwerk einstellt - denn das leisten die Quartette mit ihrem Reichtum an delikaten Ideen und wunderbar entrückenden und beseelenden Traumstellen in jedem Fall auch. Es bleibt zumindest ein interessanter Überblick mit dem Appell zur Zusammenschau. Sicher ist aber auch, dass dieses Konzept bei vielen anderen Komponisten nicht angewendet werden sollte. Falls wieder das Bedürfnis nach breit angelegten Werk-Reihen akut wird, möge der Unterschied zu sportlichen Herausforderungen reflektiert werden.

Zum zweiten Bericht Ein musikalisches „So ist es“

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014