Eingeschlafene Füße in Ewigkeit

FESTSPIELE / PHILIPPE HERREWEGHE

25/07/21 Action in der Hölle. Wohlgefallen im Himmel. Unten ist der Teufel los, oben langweilt (sich) Gott. So gehört sich das. Der Kontrast lehrt – ob in Bild oder Ton – das Fürchten. Einzig im Requiem von Gabriel Fauré ist es in der Hölle gleich fad, wie im Himmel. Oder lag es an Philippe Herreweghe, Collegium Vocale Gent und Orchestre des Champs-Élysées?

Von Heidemarie Klabacher

Ins Paradies mögen Engel dich geleiten... Wenn sie nicht vorher eingeschlafen sind. Die Antiphon In paradisum gehört zwar nicht zum vor-vatikanischen Requiem, wohl aber zum Schönsten was die Gregorianik zu bieten hat. Klug von Gabriel Fauré, sein Requiem für Sopran, Bariton, Chor und Orchester op. 48 damit abzuschließen und mit kleinen – engel-flügel-flatternden – Motiven der Soloorgel doch noch ein wenig Bewegung hineinzubringen.

Irgwendwie haben die Interpretationen dieses Abends ratlos gemacht, weil mit ihnen den Stücken so gar nicht geholfen wurde. War es wirklich das Collegium Vocale Gent, das nicht selten fürchten lässt, die Vokabel der KlangKulturLobpreisung gehen einem aus? Weder die Wiedergabe von Gabriel Faurés weichgespültem Requiem, noch von Igor Strawinskys – bis heute aufregend zu nennender – Psalmen­-Symphonie erfordern das einschlägige Vokabular. Wenig homogen der Gesamtklang, die wenigen etwas lauteren Passagen immerhin aufstrahlend.

Philippe Herreweghe ließ auch das Orchestre des Champs-Élysées wenig innere Spannung entwickeln. Die in beiden Werken radikale, weil den Klang abdunkelnde Instrumentierung kam nicht zur Wirkung. Es klang einfach dumpf. Strawinsky verzichtet auf Geigen, Bratschen und Klarinetten. Fauré verlangt nur eine einzige Violine, die im Sanctus aufblühen sollte. Dieses Geigensolo schien versehentlich auf einem falsch, mikrotonal oder gar nicht gestimmten Instrument gespielt worden zu sein. Die Bratschen fanden in ihre Rolle als höchste Streicher klanglich (aber auch intonatorisch etwa im Agnus Dei) nicht recht hinein.

Das Fauré-Requiem wurde in der Originalfassung von 1893 gegeben. Der Bariton Krešimir Stražanac und die Sopranistin Dorothee Mields sangen souverän die beiden kurzen Vokalsoli im Hostias und im Pie Jesu. Von Igor Strawinskys Symphonie de Psaumes (Psalmen­-Symphonie) für Chor und Orchester ist, nach schwerfällig deklamiertem ersten und zweiten Teil, immerhin der dritte als rhythmisch pointiert zu beschreiben.

Bleibt als wirklich lohnende Begegnung Johannes Brahms Begräbnisgesang für Chor und Blasinstrumente op. 13. Ein archaisches Stück, ein Trauermarsch vom Collegium Vocale Gent gesungen wie von einem Trupp Mönche.

Bild: SF / Marco Borelli