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Sonne und Mond strahlen im Goldenen Gang

FESTSPIELE / GOBELIN RESTAURIERUNG

18/06/21 Nicht nur Gebäude, Technik oder Infrastruktur werden im Zuge der langfristig angelegten Umbauarbeiten saniert, sondern auch die Kunstwerke in den Festspielhäusern. Zwei Gobelins nach Gemäldevorlagen von Oskar Kokoschka kamen nach ihrer Restaurierung in Wien zurück ins Große Festspielhaus.

Amor und Psyche sowie Männliche Chimäre und Sonne, weibliche Chimäre und Mond hat man in jeder Pause im Goldenen Gang des Großen Festspielhauses vor Augen. Zum Greifen nah ist wörtlich zu nehmen - und tatsächlich haben die Gobelins seit den Sechzigerjahren gelitten. In den letzten Monaten sind sie im Wiener Atelier der Textilrestauratorin Hilde Neugebauer restauriert worden. „Dazu wurden die Tapisserien vom Rahmen demontiert, aufgerollt, nach Wien transportiert und im Zuge der Textilbehandlung zunächst von oberflächlichem Staub und anhaftendem Schmutz gereinigt. Ein Museumsstaubsauger mit besonders feinen Düsen erlaubte die schonende Entfernung von kleinster Verunreinigungen. Größere Partikel wurden in Handarbeit mit der Pinzette entfernt", schildert Hilde Neugebauer die Arbeit. Danach wurde mit saugfähigen, leicht angefeuchteten Evolon-Tüchern der Gobelin entlang der Gewebestruktur abgetupft. (Evolon ist ein Mikrofasertextil, das auch für Schutzmasken oder Schutzanzüge verwendet wird, Anm.)

„Nach dem Entnehmen von Farbproben wurde eine Aerosolreinigung der Textilien ausgeschlossen, denn bei diesen Tapisserien ist das Risiko von Verfärbungen zu groß. Kleinste Risse und Löcher wurden nähtechnisch konserviert", erklärt die Expertin den aufwändigen Vorgang der Erneuerung der von Sonnenlicht und Staub mitgenommenen Gobelins. Zuletzt wurden die beiden Werke wieder auf ihre ursprünglichen Rahmen montiert.

„Besonders interessant war die Entdeckung weißer Farbpigmente zwischen den Tapisseriefäden“, sagt die Restauratorin. „Manchmal werden Gobelins vor Malerarbeiten im Innenraum nicht fachgerecht abgedeckt und es kommt dadurch zu Verunreinigungen. In diesem Fall aber ist die Farbe auf großen Teilen der Tapisserie flächig verteilt.“ Kokoschka habe in dem Gobelin eine Vielzahl verschiedener Weißtöne verwebt haben wollen, was die Weberinnen der Textilmanufaktur nicht umsetzen konnten. Der Künstler sei deshalb derart verärgert gewesen, dass er mit dicken Pinseln die Weißtöne selbst gemalt hat. Diese These werde auch von einem Laborbefund bekräftigt, der die gefundenen Pigmente eindeutig als Malpigmente aus der Zeit identifiziert. Somit wurden die Pigmente als dem Original zugehörig bestätigt und auf dem Textil belassen.

Der größere der beiden Gobelins zeigt Amor und Psyche, ein auf ein Märchen von Apuleius gründendes Motiv, das Kokoschka ursprünglich für ein Deckengemälde in einem Londoner Stadtpalais vorgesehen hatte. Da das Motiv aber in diesem geplanten Decken-Tryptychon inhaltlich nicht schlüssig war, behielt Kokoschka die Bildidee und schuf Amor und Psyche 1955 als eigenständiges Gemälde, welches durch die Wiener Gobelin-Manufaktur 1958 in einen gewebten Bildteppich übersetzt wurde. Das Hinzufügen der Bordüre als Umrahmung des inneren Hauptmotivs verstärke die Wirkung der abgebildeten kulissenartigen Architektur der Szene zu einer Bühne und sei daher geradezu prädestiniert für das Ausstellen in einem Opernhaus.

Da die am Ausstellungsort verfügbare Wandfläche nicht die nötige Höhe bot, musste die obere Bordüre durch ein schmales Mäanderband ersetzt werden. Dieses „geopferte“ Bildmotiv verarbeitete Kokoschka wiederum zu einem eigenständigen Gemälde Männliche Chimäre und Sonne, weibliche Chimäre und Mond. Dieses Gemälde hängt – nun wieder gemeinsam mit seinem spiegelbildlich gewebten Bildteppich-Zwilling – im neutorseitigen Teil des ersten Stocks des Großen Festspielhauses.

Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler: „Clemens Holzmeister, der Architekt des Festspielbezirks schuf mit dem Großen Festspielhaus ein Gesamtkunstwerk. Er nützte sein großes Netzwerk und betraute die wichtigen Künstler seiner Zeit mit der Ausgestaltung der Foyers, der Pausenräume, ja sogar der Stiegenhäuser. Die Gobelins von Oskar Kokoschka im Goldenen Gang sind eine besondere Kostbarkeit. Es lohnt sich, unserem Publikum und uns, die wir das Glück haben hier zu arbeiten, vor Augen zu führen, dass nicht nur auf der Bühne große Kunst stattfindet, sondern im ganzen Haus, auf jeder Wand, in jedem Gang.“ (SF/dpk)

Fotos: SF / Simon Kerschner

 

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