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Rache-Rausch ist keine Ü60-Party

HINTERGRUND / FESTSPIELE / ELEKTRA

31/07/20 „Die Gefahr als Dirigent in einen Klangrausch zu verfallen und die Kontrolle zu verlieren, ist bei Richard Strauss besonders groß.“ Die Sängerin der Elektra, Ausrine Stundyte, eröffnet den Blich in ungeahnte Tiefen. Franz Welser-Möst dirigiert die Neuproduktion Elektra in der Regie von Krzysztof Warlikowski. „Hugo von Hofmannsthal hat der griechischen Mythologie nichts hinzugefügt als die Psychoanalyse.“

Von Anne Zeuner

„Details ohne Ende“ könne er in der Partitur entdecken, je mehr er hineinschaue, so Franz Welser-Möst: „Man muss sehr diszipliniert sein, um die geniale Orchestrierung des Komponisten fassen zu können.“ Vom dreifachen piano bis zum dreifachen forte sei alles in der Partitur inbegriffen, „der schnelle Wechsel dabei die Herausforderung“. Dass Herbert von Karajan einmal gesagt habe, man solle die Elektra nicht mehr nach dem sechzigsten Lebensjahr dirigieren, könne er sehr gut nachvollziehen. „Glücklicherweise“ schaffe er gerade noch so die Kurve, so der Dirigent, der im August seinen 60. Geburtstag in Salzburg feiert.

Die Zusammenarbeit mit Ausrine Stundyte, die die Elektra singt, sei beglückend. „Ausrine ist keine Stahlstimmen-Elektra, wie man sie gewohnt ist. Sie ist eine zerbrechliche, kindliche, verletzliche Elektra, eine komplexe Figur statt ein Racheweib“, sagt Franz Welser-Möst. Sie sei eine hochintelligente Sängerin, die mit jeder Faser ihres Seins in der Rolle aufginge. „Sie hat mich tagtäglich verblüfft und Facetten herausgearbeitet, die ich vorher nicht gewagt hätte, zu erhoffen.“ Bei Strauss werde mit dem Libretto-Text immer auch musikalisch der Subtext durch Motive und Tonarten mitgeliefert. Kaum eine Sängerin verstehe es so wie Ausrine Stundyte diesen Subtext zu verstehen und zu verinnerlichen. Auch das Orchester, die Wiener Philharmoniker, seien gefragt Haken zu schlagen und in Extreme zu gehen und zwischen heiß und kalt zu spielen.

Was Strauss‘ Musik für Regisseur Krzysztof Warlikowski ausmacht, sei vor allem der Ehrgeiz, die Musik und das Libretto miteinander zu vermengen. „Hugo von Hofmannsthal hat der griechischen Mythologie nichts hinzugefügt als die Psychoanalyse.“ Die Erinnerung sei dabei ein wichtiges Element, es komme zur Vermischung der Realitäten von vergangenen Elementen und der Gegenwart, sagt er. In seiner Inszenierung möchte er die Figuren nicht erst vorstellen, wenn sie die Bühne betreten, sondern bereits den Akt des Auftritts vorbereiten. Strauss und Hofmannsthal gingen davon aus, dass der Zuseher die griechische Mythologie und die Familienaufstellung der Atriden kenne. Warlikowski setzt einen Prolog vor die Oper, in der die Vorgeschichte erzählt wird. Es schade aber auf keinen Fall die Kenntnisse über die griechische Mythologie zu vertiefen, um die Rachegefühle in der Oper vollends verstehen zu können.

„Ich verdanke Franz Welser-Möst die Entdeckung, wie monolithisch die Gefühle der Elektra sind“, sagt der Regisseur. Manchmal habe man das Gefühl, Elektra sei eher männlich, so laut und mit dem schweren antiken Gepäck beladen, aber dann steche das Weibliche in den Vordergrund. Elektra trage einen Panzer, aber dahinter sei sie sogar sehr weiblich, fast schon mädchenhaft, sagt Warlikowski.

Elektras Schwester, Chrysothemis, die von Asmik Grigorian gesungen wird, sei im Gegensatz zur Elektra lebendiger, präsenter, die Normalere der beiden. Die Mutter der Schwestern, Klytämnestra, die von Tanja Ariane Baumgartner gesungen wird, scheint dem Tode sehr nahe. Sowohl sie als auch Elektra seien Opfer, Elektra allerdings gleichzeitig auch Täterin.

„Was Krzysztof Warlikowski hier macht, war für mich beeindruckend zu beobachten“, sagt Dirigent Franz Welser-Möst. „Er versucht diese psychologisch belasteten Figuren in Beziehungen zueinander zu setzen und spinnt ganz sensibel feine Fäden zwischen den Figuren.“ Dabei gebe er immer wieder kurze, helle Einblicke in das Innenleben der Familie, wie Blitze, die das Geschehen ausleuchten.

Elektra sei die 83. Opernpremiere in seinem Leben, sagt der Dirigent. Die Arbeit in Salzburg sei für ihn beglückend, denn die Festspiele wüssten es, ein familiäres Gefüge herzustellen, so dass man wochenlang ungestört an einem großen Werk arbeiten könne.

Ein Happy End? – In gewisser Weise gebe es das, sagt Krzysztof Warlikowski, denn das Ziel der Kinder sei erreicht, die Rache sei geübt worden. Allerdings ginge sie mit dem Tod einher. Wenn Orest dem Wahnsinn nahe am Ende unschuldig gesprochen wird, sei das das Ende der Rache, sagt der Regisseur. Es sei das Jahr Null, in dem die Vergebung beginne und die Menschlichkeit von Neuem anfangen könne.

Elektra hat am 1. August im Großen Festspielhaus Premiere, weitere Vorstellungen gibt es am 6., 10., 16., 21. und 24. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Pressebüro der Salzburger Festspiele / Anne Zeuner (1); Schneider Photography (1); Bernd Uhlig (1)

 

 

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