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Die öffentliche Meinung singt

HINTERGRUND / ORPHEUS IN DER UNTERWELT

12/08/19 Der Zauber von Jacques Offenbachs Musik? „Man kann sie nicht hören, ohne zu lächeln.“ Barrie Kosky inszeniert Orphée aux enfers. „Egal, ob man den Text versteht oder nicht, seine Musik hat eine verführerische Qualität. Das ist sein Genie.“ Premiere in der musikalischen Leitung von Enrique Mazzola ist am Mittwoch (14.8.) im Haus für Mozart.

Von Anne Zeuner

Mit der Opéra-bouffon Orphée aux enfers habe Jacques Offenbach nicht nur die Neugeburt der Operette eingeleitet, er habe damit einen Faden gesponnen zum griechischen Theater der Antike. Dort sei es üblich gewesen, neben den drei Tragödien, sozusagen als Zwischenspiel, ein Satyrspiel zu setzen. „Es musste also genau wie im Leben inmitten der Tragödien ein Intermezzo geben, eine Blödelei über Macht und Sex, das war die Geburt der Komödie“, sagt Barrie Kosky.

„Genau das macht Markus Hinterhäuser in diesem Sommer“, so der Regisseur. „Er setzt zwischen die großen Mythen der Antike ein Satyrspiel.“ Offenbach beschäftige sich in seinem Orphée aux enfers zwar mit dem antiken Orfeo-Stoff, er drehe allerdings alles um und macht eine Persiflage aus der Geschichte. „Tausende Jahre lang war Euridike nur eine Muse, eine Frau ohne Funktion. Bei Offenbach aber ist sie die Hauptfigur. Orfeo wird zur Nebenfigur, da Jupiter und Pluto viel mehr auf der Bühne stehen als er.“ Eine Gesellschaftskritik? Diese interessiere ihn nicht, so Kosky. Sicher habe das Publikum der Uraufführung 1858, die hochbürgerliche französische Gesellschaft, gewusst, dass es „um sie selbst ging“. Aber Offenbach habe durch seine Genialität den Zuschauern zu verstehen gegeben, dass es „nur um ein Spiel ging“.

Alle im Stück gezeigten Ehen sind kaputt und am Ende. „Das zweite Hauptthema ist das Frauenbild in der Inszenierung. Offenbach ist seiner Zeit sechzig, siebzig Jahre voraus. Er zeigt eine emanzipierte Frau, obwohl zu seiner Zeit die Frau nur als Muse, als kranke Frau, als wahnsinnige Frau oder als tote Frau auf der Bühne gezeigt wurde.“ Offenbach stelle eine moderne Frau auf die Bühne, eine „die weiß, was sie will, die die Musik von ihrem Mann Orphée verabscheut, die nicht Kunstobjekt oder Muse“ sein will.

Chanson, Revue, Burlesque, Slapstick, Klamauk, Clowning, all das stecke in diesem Stück.Freude und Ekstase liegen sehr nahe an Melancholie, die Musik trage immer den Schatten des Todes in sich. Das alles versucht auch der Musikalische Leiter der Produktion, Enrique Mazzola unter einen Hut zu bringen: „Satire und Burlesque auf die Bühne zu bringen, setzt ein großes Vertrauen zum Regisseur und auch zu den Sängern voraus.“ Von Anfang an habe man sich geeinigt, dass Schnelligkeit zentral sei, und eine Tendenz zum Extremen und Exzessiven. „Bei Offenbach sind die Tempi sehr wichtig.“ Er erkenne sehr viel Rossini in der Partitur, erklärt der Dirigent. Dieser habe großen Einfluss auf Offenbach gehabt.

Im Haus für Mozart gespielt werde die Zwei-Akt-Fassung. In der Vorbereitung habe er sich viel mit kritischen Editionen der Partitur auseinandergesetzt, so dass die hier gezeigte Version im Grunde alle Fassungen spiegele. Offenbach sei ein sehr schneller Schreiber gewesen, der die Partitur auch noch nach der Premiere dem Geschmack des Publikums angepasst habe. So gebe es nicht wie bei anderen Opern, einen einzigen „Urtext“.

Eine Herausforderung bei dieser Inszenierung, so Regisseur Barrie Kosky, sei der Umgang mit der Sprache gewesen. Gesungen wird in der Originalsprache Französisch. Aber die Dialoge habe er von Nicht-Muttersprachlern weder auf Deutsch noch auf Französisch sprechen lassen wollen. „Wir haben nun eine wunderbare Lösung gefunden, die gut mit Offenbach korrespondiert und seine Biographie reflektiert, die ja von Deutschland und Frankreich gleichermaßen stark geprägt wurde.“ John Styx, der Tod, der von Max Hopp verkörpert wird, spricht auf Deutsch alle Dialoge. Die Sänger bewegen also nur die Lippen, aber es spricht Styx in der Sprache des Todes alle Rollen für sie. „Dadurch entsteht eine seltsame theatralische Sprache“, sagt Barrie Kosky. Mit dem deutsch-französich geprägen Offenbach aber „kann man dies hervorragend machen“. Anne Sofie von Otter singt übrigens die Partie der L’Opinion publique – die personifizierte Öffentliche Meinung.

Orphée aux enfers – ab Mittwoch (14.8.) im Haus für Mozart - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Anne Zeuner

 

 

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