Welch wunderbare Träume

FESTSPIELE / CAMERATA SALZBURG / KULMAN / NORRINGTON

14/08/18 Ein feiner Vorausbezug: Wenige Tage vor der Premiere der „Bassariden“ erklangen die Wagner’schen „Wesedonck-Lieder“ in der fein schillernden Instrumentierung von Hans Werner Henze für Altstimme und Kammerorchester. Sir Roger Norrington leitete die Camerata Salzburg mit souveräner Geste durch ein feines Programm.

Von Heidemarie Klabacher

Wagner ist nie so richtig ein Schwerpunkt-Komponist bei den Festspielen. Umso spannender, wenn dann doch gelegentlich ein Hauch vom Grünen Hügel an die Salzach herunterzieht. Das „Siegfried-Idyll für Kammerorchester“ WWV 103 wurde – die Geschichte ist einfach zu nett – „von 16 Musikern im Treppenhaus der Wagners uraufgeführt“. Der Meister selber hat für öffentliche Wiedergaben die Besetzung erweitert, was der feinen, über bekannten Leit- und sonstigen Motiven schwebenden Miniatur nie besonders gut bekommen. Nicht einmal dann, wenn man sich so konzentriert und im gemeinsamen Strich so überaus präzise um das Piano bemüht, wie die Streicher der Camerata Salzburg am Montag (13.8.) im Großen Saal des Mozarteums. Es war einfach zu laut, um all jene idyllischen Assoziationsketten in Gang zu setzen, die man damit verbindet, und gleichzeitig zu bemüht zurückhaltend, um das „heroische“ Idyll zu seinem Recht kommen zu lassen. Gemäkel auf höchstem Niveau freilich: So transparent und gleichzeitig so frei wiegend, die Bläser so frei aussingend und immer innerhalb der Homogenität bleibend, muss eine Wiedergabe erst gelingen.

Dennoch überzeugender, in Dynamik, Agogik und vor allem Lautstärke völlig organisch, erklang Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht“ op. 4 in einer durchaus klangkräftigen Wiedergabe, die in keinem Moment den obligaten Wunsch nach dem „Original“ für Streichsextett aufkommen ließ: Das waren einmal mehr die Streicher der Camerata Salzburg unter der Leitung ihres „alten“ langjährigen Leiters Sir Roger Norrington in Bestform. Strahlendes Aufblühen, bewegtes Aufbegehrten, glanzvolles Hervortreten der ersten Geige solo für kostbare Momente, ein in sich gekehrter Moment beinah choralartiger Ergebung – eine singuläre Wiedergabe.

Dazwischen eine Begegnung ebenfalls besonderer Kostbarkeit: Elisabeth Kulman sang „Fünf Gedichte für eine Frauenstimme und Klavier WWV 91 – „Wesendonck-Lieder” von Richard Wagner in der 1977 uraufgeführten Instrumentierung für Altstimme und Kammerorchester von Hans Werner Henze. Die Instrumentierung Henzes ist zurückhaltend und dennoch sehr eigenständig, gesetzt mit grandiosem Farbsinn, mit dem etwa die tiefen Streicher und tiefen Bläser den „Träumen“ beinah zeitgenössischen Charakter verleihen. Mit sopranstrahlender Klarheit und zugleich altdunkler Tiefe - bei hervorragender Textverständlichkeit - gestaltete Elisabeth Kulman die Lieder mit jener souverän atmenden Ruhe, die sich erst weit über jedem Nachdenken über Technik oder Gestaltung erschließt.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli