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Maßlosigkeit und Präzsion

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT IGOR LEVIT

05/08/18 Seit dem dritten Festspieltag hat man sie im Ohr. Die auf einen einzigen Anschlag in allen Facetten der Klangfarbenpalette schillernden Töne, die Igor Levit dem Klavier zu entlocken weiß. In der Ouverture spirituelle spielte er „nur“ den Klavierpart zur „Via crucis“ von Franz Liszt. Im Solistenkonzert betörte er mit Liszt im Großformat, Busoni und Beethoven.

Von Heidemarie Klabacher

Man hätte ihm auch fasziniert und atemlos zugehört, wenn der den ganzen Abend lang nur das „Gralsmotiv“ wiederholt hätte. Es hätte keine Wiederholung geklungen, wie ihre Vorgängerin oder ihre Nachfolgerin. So blieb es – im Rahmen von Franz Liszts Klavierbearbeitung des „Feierlichen Marsches zum Gral“ – bei viel zu wenigen Blicken ins pure Licht des reinen Klavierglanzes. Freilich war auch die unerbittliche Sanftheit der Marsch-Tritte der Grals-Jünger und Jüngerinnen beeindruckend in ihrer anschaulichen Farbigkeit. Das mit dem Gral nie gut Kirschenessen war und ist, kam bei aller klangschönen Klarheit deutlich zum Ausdruck.

Wer das zweite Stück des Abends, ebenfalls sakralen Charakters, geschrieben hat, ist mit einem Namen allein nicht zu erklären. Das Originalthema jedenfalls ist aus einer Oper von Meyerbeer. Liszt hat eine große Orgel-Fantasie und Fuge darüber geschrieben und samt einer Version für „Pedalklavier“ und einer „Einrichtung für Klavier zu vier Händen“ veröffentlicht (das Programmheft drückt das alles sehr vorsichtig aus). Von Busoni stammt die Bearbeitung von „Fantasie und Fuge über den Choral ‚Ad nos, ad salutem undam‘“ für einen Pianisten – die Igor Levit am Samstag (4.8.) wohl gespielt haben wird.

Viele Väter, ein einziger Klangrausch, freilich nur in den Noten. Denn bei Igor Levit gibt es keinen „Klangrausch“. Noch im Aufrauschen der machtvollsten pianistischen Urkräfte bleibt in seiner Interpretation der Klang transparent, die Struktur spürbar. Es gibt Virtuosen, die auch Analytiker sind. Levit ist zuerst Erzmusikant, dann Analytiker und dann Virtuose. Und sein Virtuosentum lässt den Atem anhalten. Der Maßlosigkeit der Klangvorstellungen der Komponisten stellt Igor Levit seine keine Grenzen des Spielbaren kennende Technik gegenüber – und seinen analytischen Zugang. So werden dem Hörer die opulentesten Werke subtil erschlossen, und eben nicht die Ohren zugedröhnt.

Mit dieser ehrfurchtsvollen künstlerischen Grundhaltung stürzte sich Igor Levit auch in Ludwig van Beethovens Sonate B-Dur op. 106 „Hammerklavier-Sontate“. Über die große Fuge dieses Monumentalwerks gab es ebenso einen dramaturgischen Bezug zu Busoni-Liszt, wie über das überirdische Adagio. „Appassionato e con molto sentimento“ beim einen, „Tranquillissimo“ bei den anderen. Fugen werden in der Interpretation von Igor Levit so logisch musikantisch nachvollziehbar, dass man anhand ihrer die Geschichte des Kontrapunkts neu schreiben könnte. Wie man ja anscheinend die Musik des 19. Jahrhunderts, sollte diese je verloren gehen, anhand der Bearbeitungen Liszts rekonstruieren könnte.

Wie Fanfaren die Einleitungsakkorde. Irrlichter, neckisch aber tödlich, im Scherzo-Raum, der alle Wälder der schwärzesten Romantik umfasst. Die unglaubliche Fuge, der Levit auch noch ironisch betonte Schnörksel abzuringen weiß. Und erst die Largo-Einleitung zum Finale – so ziemlich das Aufregendste und Spannungsvollste, das man im Genre „Klavierabend“ je erleben durfte. Wann ist nochmal der nächste Levit-Abend?

Bild: dpk-klaba

 

 

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