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Tiger!

FESTSPIELE / MOZART-MATINEE 

04/08/18 Das Finale der „Haffner-Symphonie“ als messerscharfes Vorspiel zur Wut- und Verzweiflungs-Arie „Tiger! Wetze nur die Klauen“ aus „Zaide“... Der multikulti-chromatisch aufbrausende „Deutsche Tanz“ aus KV 571 als Aufmarschgebiet für die empörte Königin der Nacht… Die winterlichen Schellenklänge der sommerlichen „Schlittenfahrt“ waren nicht das Schrägste an der Mozart-Matinee unter der Leitung von Raphaël Pichon.

Von Heidemarie Klabacher

„Eine Mozart-Akademie“. So akademisch war die dritte Matinee des Mozarteumorchesters heute Samstag (4.8.) überschrieben. Nichts könnte weniger „akademisch“ sein. Die Haffner-Symphonie etwa, aufgeteilt auf drei Teile, wurde trotzdem nicht zum Vor- oder Zwischenspiel degradiert, sondern zum roten Faden durch ein Programm, wie es erfrischender nicht sein kann.

„Normalerweise“ wäre es so im Programmheft gestanden: Deutsche Tänze aus KV 509, 605 und 571. Arien-Block. Pause. Symphonie D-Dur KV 385 „Haffner”. Auch so „klassisch“ wäre es mit dem Mozarteumorchester wie immer in immer neuer Bestform, dem temperamentvollen historisch so informiert wie ungeniert dirigierenden Raphaël Pichon und der ganz einfach anbetungswürdigen Sopranistin Sabine Devieilhe eine Sternstunde gewesen.

Die Werke aber ein wenig auseinander geklaubt, der Charakter der Instrumentalstücke in direkten Bezug zum Charakter der Arien gesetzt – und das Ganze in so kunterbunter wie kunstreich erdachter Reihenfolge aufgeführt: Das war kein „Aufbrechen“ irgendwelcher überkommener „Konzertformate“, das war einfach erfrischend und erhellend. Da fiel wieder einmal besonders auf, welch opernhafte Qualitäten in Mozarts Symphonien stecken, oder wie abgründig und aufregend „Deutsche Tänze“, egal welchen KVs, sein können.

Und da war jetzt noch kaum die Rede von der überwältigenden musikalischen Qualität. Das Mozarteumorchester ist auf den 1984 geborenen Raphaël Pichon angesprungen, als hätten ein Bolton oder ein Minasi es nur auf diese Begegnung hin in lichte Orchesterhöhen geführt. Die Streicher brillant, wie mit extra versilberten Saiten spielend, die Holzbläser mit betörend weichem, die Blechbläser mit aufblitzend durchschlagendem Sound… Das Oboensolo der Arie „Vorrei spiegarvi, oh Dio!“ KV 418 ging zu Herzen, das Klarinettensolo in der Arie „Schon lacht der holde Frühling” für KV 580 ließ die Klage der Schäferin beinah zum Schubert’schen Schmachten des Hirtenkollegen „auf dem Felsen“ werden. Geradezu märchenhaft schillernde Klangmomente bescherte der Hammerflügel etwa in „Ruhe sanft, mein holdes Leben“ aus dem Singspiel Zaide im Dialog wieder mit der Oboe oder mit den Geigen in der Schlussphrase.

Die Sopranistin Sabine Devieilhe hat aus einer Reihe von Bravourarien Herzens-Angelegenheiten von anrührender Tiefe gemacht. Mit größter Zurückhaltung, ganz ohne „darstellerische“ Verspieltheiten, erlaubte sie sich da oder dort für Augenblicke einen empörten oder traurigen Augenaufschlag und WAR die Giunia aus „Lucio silla“, die Zaide aus dem Singspiel und war sogar – irgendwas muss die Sopranistin in der Pause geärgert haben – die Königin der Nacht mit all ihren Rachegelüsten. Sabine Devieilhe gebietet über eine technische Meisterschaft, die auch noch auf den Spitzentönen der halsbrecherischen Koloraturen immer wieder kleine de-crescendi erlaubt.

Es sind ihr ohnehin alle zu Füßen gelegen. Aber mit der Zugabe „Nehmt meinen Dank ihr holden Gönner“ KV 383 mit der Schlusszeile „Wohin ich geh', zu allen Zeiten Bleibt immerdar mein Herz bei Euch“ wollte man Sabine Devieilhe wirklich nicht mehr ziehen lassen.

Damit es nicht gar zu ernst wurde, versuchten sich auch die Orchestermusiker einmal als Sänger und stimmten den Kanon „Leck mich im A…“ an. Zum Glück übernahm alsbald die Sopranistin den Gesangspart und stürzte sich mit Orchester und Dirigent in eine aberwitzige Fassung des Kanon KV 231.

Bilder: dpk-klaba

 

 

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