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Abschied nehmen?

FESTSPIELE / BELCEA QUARTET / TAMESTIT

02/08/18 Die Werke erzählten vom Abschied, die Künstler von Zukunft – der Interpretation von Kammermusik nämlich. Der Bratschist Antonie Tamestit und das Belcea Quartet trafen nach einem grandiosen Vorspiel mit Bartók, Zimmermann und Bach bei op. 111 - aber von Johannes Brahms – zum Quintett zusammen und schrieben ein Kapitel Interpretationsgeschichte.

Von Heidemarie Klabacher

So symphonisch, so opulent, so melodienreich, so tänzerisch, so melancholisch, so aufbrausend fiebrig und aufbrausend heiter… Mit dem Quintett Nr. 2 G-Dur op. 111 von Johannes Brahms wird man nie „fertig“ werden. Immer wieder wird einem eine Phrase auffallen, ein traumverlorene Melodie, vielleicht in einer der Bratschen-Stimmen, aufblühen, die man noch nie gehört hat, oder der Csárdás des vierten Satzes irgendwo eine unerwartete Wendung ins Elementar-Katastrophische oder ins Pitoreske oder gar ins Klischee nehmen… Die Interpretation von Belcea Quartet und Antonie Tamestit am Pult (besser gesagt Tablett) der ersten Bratsche war freilich eine einzige „Neubegegnung“ mit „Brahms 2“.

Die Wiedergabe war von geradliniger Durchlässigkeit, von meisterhafter kammermusikalischer Transparenz in den Einzelstimmen, wie im Ensembleklang. Und zugleich war dies Jahrhundert-Interpretation von zugleich von atemberaubender Farbigkeit. Ganz zu schweigen vom mitreißenden Drive der Gesamtanlage, von den liebevoll oder übermütig einander zugespielten Themen, von den überirdisch schwebenden Momenten, etwa im Seitenthema des ersten Satzes. Das wird – dem Jubel nach zu schließen – für viele, die am Mittwoch (1.8.) im Großes Festspielhaus Saal dabei waren, für lange Zeit der Lieblings-Brahms bleiben.

Die Zugabe, das Andante aus Mozarts Quintett C-Dur bestätigte nur diesen singulären Zugang zwischen größter Zurückhaltung und künstlerischer Bescheidenheit angesichts eines Meisterwerkes und feinster virtuoser Ausgestaltung kleinster Momente.

Dabei ist diesen Werken schon ein grandioses Konzert vorangegangen: Béla Bartóks Streichquartett Nr. 6 D-Dur Sz 114 war ein Energieausbruch zwischen Verzweiflung und Aufbegehren, ein ausgesprochener Tanz auf dem Vulkan, in dem die Auflösung von Recht und Gesetz und politischen Grenzen vom Belcea Quartet ebenso hörbar gemacht wurde, wie die Auflösung harmonischer Gesetze… Danach, Hitler war inzwischen in Polen einmarschiert, ist Bartók in die USA emigriert, daher das Abschieds-Motiv.

Antoine Tamestit begeisterte und bewegte mit Bernd Alois Zimmermanns Sonate für Viola solo „… an den Gesang eines Engels”, geschrieben für seine kurz nach der Geburt verstorbene Tochter Barbara, und Johann Sebastian Bachs Ciaccona aus der Partita für Violine Nr. 2 d- Moll BWV 1004 in einer Fassung für Viola, möglicherweise geschrieben als Trauermusik die erste Ehefrau, für Maria Barbara Bach. Zwei Virtuosen-Stücke, die Tamestit „ganz einfach“ zum Singen und zum Glänzen brachte – mit „altem” Bogen bei Bach und mit der selbstverständlichen Ruhe und technischen Souveränität des wahren Virtuosen, der sich hinter und nicht vor das Werk stellt.

Und - von wegen Abschied: Johannes Brahms hat mit op. 111 das Komponieren einstellen wollen, der Welt dann aber doch noch einige Kostbarkeiten mit Klarinette geschenkt.

Bilder: Salzburger Festspiele / MarcoBorrelli
Hörfunkübertragung am 17. August Juli um 19.30 Uhr auf Ö1

 

 

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