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Die fromme Dame mit Hammer

FESTSPIELE / KLANGFORUM / COLLEGIUM VOCALE GENT

24/07/18 „Wow! Das war ein Konzert. Was für unglaubliche Power. Gut, dass so etwas auf dem Programm steht und einmal was weitergeht in der Musikgeschichte!“ Dem enthusiastischen Ausbruch einer Dame vor der Kollegienkirche nach dem vierten Ustwolskaja-Ereignis wollen wir uns anschließen.

Von Heidemarie Klabacher

Man könnte die Konzerte auch zusammenfassend und über einen Kamm scherend gemeinsam besprechen: Zwei der Konzert „Zeit mit Ustwolskaja“ gelten rein dem Schaffen der Komponistin, drei Konzerte stellen Werke der grundsätzlich religiös-gläubig komponierenden Russin in Dialog mit „Alter“ Sakralmusik des Westens. Die jeweiligen Werke sind freilich so faszinierend eigenständig, so klug miteinander in Beziehung gesetzt und auf so stupend hohem Niveau realisiert, dass man Abend für Abend nicht aus dem Staunen herauskommt.

Zuletzt sorgte das Klagforum Wien in schrägen Formationen unter Ilan Volkov für Ustwolskaja-Ausbrüche, die nur scheinbar vor allem nach außen losgehen. Solisten, Chor und Instrumentalensemble des Collegium Vocale Gent unter Philippe Herreweghe entwickelten nicht weniger Kraft mit feinster Vokal-Klangkultur in Sachen Heinrich Schütz.

Selbstverständliche Ruhe und Geradlinigkeit in der Phrasierung, vollendete Balance zwischen Vokalisten und Basso Continuo und zwischen Solisten und Gesamtchor, selbstverständlich reinste Intonation und hervorragende Verständlichkeit auch angesichts unbekannter Textpassen: ein Vokalmusik-Ereignis, wie es selbst namhafteste Ensembles nicht immer zu schenken vermögen. Die Akustik der Kollegienkirche ließ diese so feinsinnig und geradlinig auf den Weg gebrachten Klänge geradezu ins Überirdische aufblühen.

Erstaunlicherweise nicht weniger subtil und verinnerlicht waren einzelne Passagen im Kontext der drei „Kompositionen“ von Galina Ustwolskaja.

Nur kann die ätherische Dame mit dem Hammer halt auch ganz anders. So schrullig die Besetzungen der drei Stücke anmuten, so selbstverständlich verschmelzen Piccoloflöte, Tuba und Klavier, amalgamieren nicht weniger als acht Kontrabässe, Holzwürfel und Klavier, vereinigen sich vier Flöten, vier Fagotte und Klavier zu jeweils faszinierend homogenen Klang-Ereignissen.

Der Hammer und die sonstigen Schlägel, die den Holzwürfel in „Komposition 2“ zu erschüttern haben, sorgen für Donnern und Dröhnen, die Töne der Piccolo-Flöte für Aufruhr in höheren Frequenzbereichen. Und doch sind, wie alle Arbeiten der Galina Ustwolsjaka, auch diese Stücke grundsätzlich von langem Atem und – zwischen den Tumulten – von Phasen größter Ruhe getragen. Dennoch ist es gut, dass die Kollegienkirche solide renoviert ist, Putz und Stück bröckeln nicht, wenn Marino Formenti mit den Fäusten das Klavier an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringt.

Galina Ustwolskja mochte es gar nicht, wenn man an ihren Werken heruminterpretierte. Man will auch gar nicht. Warum das „lauteste“ Stück, also „Komposition 1“ den Untertitel „Dona nobis pacem“ trägt? Weil es eine monumentale de-crescendo-Studie ist, deren Wellen in friedlichen Gestaden auslaufen? „Dies irae“ ist die „Komposition 2“ untertitelt, „Benedictus, qui venit“ die beinah introvertierte „Komposition 3“. Wir wollen nicht deuten und deuteln. Wozu auch. Was man gehört und erlebt hat, wird man im Herz erinnern – und in den Ohren.

Hörfunkübertragung am 31. Juli um 19.30 Uhr auf Ö1
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 

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