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Links-Orthodox auf rechtem Weg

FESTSPIELE / LUKASPASSION

21/07/18 Kent Nagano am Pult des Orchestre Symphonique de Montréal. Auf den Pulten die „Lukaspassion“. Im Publikum der 84jährige Komponist. Das Publikum in der Felsenreitschule feierte Krzysztof Penderecki und die Interpreten seines legendären Werks mit Ovationen: Ein fulminanter Festspielauftakt.

Von Heidemarie Klabacher

Richtig „zeitgenössische“ Komponisten und „strenge“ Avantgardisten lehnen den Polnischen Querdenker, Schönschreiber und Querulanten schon seit Jahrzehnten als Verräter (kompositorisch wie auch politisch) ab. Tatsächlich kommen schon in der „Passionsmusik nach Lukas für Soli, Sprecher, drei gemischte Chöre, Knabenchor und Orchester“ aus 1966 einige strahlende Dur-Akkorde vor. Diese freilich sind von Meisterhand platziert: wie etwa im „Stabat Mater“ der – nach schillernden Übergang von den teils gesprochenen, gebeteten und gemurmelten Trauerstrophen – nur augenblickslang aufstrahlende Dur-Akkord auf „Paradisi gloria“.

„Stabat Mater“ in der „Lukaspassion“? Der junge Krzysztof Penderecki hat seiner „Passio et mors Domini nostri Iesu Christi secundum Lucam“ nicht nur Ausschnitte aus dem Lukasevangelium zugrunde gelegt. Er hat sich im Neuen Testament auch bei Johannes sowie im Alten Testament bei den Psalmen bedient, dazu noch im Stundengebet und in der Karfreitagsliturgie. Die Sequenz Stabat Mater gehört schier zwingend logisch dazu, der a-caplla-Chorsatz ist geradezu das reflektierende Herzstück.

Er sei ein „gläubiger linksorthodoxer Katholik“, hat Krzysztof Penderecki einmal von sich selbst gesagt. Nur ein solcher – oder sonst irgendein bibel- und liturgiefester Typ – erstellt eine solch stimmige Text-Kompilation. Auch Klug- und Bescheidenheit mögen mitgespielt haben, gebe es doch, so Penderecki damals, „zwei außerordentlich gute Passions-Vertonungen, die den Text von Matthäus und Johannes verwenden“.

Die aktuelle Wiedergabe am Freitag (20.7.) in der Felsenreitschule zum Beginn der Ouverture spirituelle machte deutlich, wie zeitlos diese „Lukaspassion“ mit ihrem überzeitlichen Anspruch ist. Wenn da die „Juden“ (es sind halt leider die Juden) oder die „Römer“ Jesus vor dem Hohepriester oder am Kreuze verspotten, dann erzählt Penderecki auch von jedem anderen Menschen, den ein Regime mittels aufgehetzter Menge oder indoktrinierter Befehlsempfänger loswerden will. Die vokale „Tonerzeugung“ ist nicht radikal, geht über Singen und Sprechen, gelegentliches Flüstern und seltenes Schreien kaum einmal hinaus. Und doch gehen Hohn, Spott und Hass unter die Haut.

Der Philharmonische Chor Krakau, Einstudierung Teresa Majka-Pacanek, und der Glanzlichter liefernde Warsaw Boys’ Choir, Einstudierung Krzysztof Kusiel-Moroz, haben die Chöre und choralartigen Passagen, genau wie die im raschen Dialog mit den Solisten eingestreuten „Turbae“ (die Rufe des Pöbels) transparent und klangfarbenreich gestaltet. Kent Nagano, welch schöne Wieder-Begegnung, am Pult des Orchestre Symphonique de Montréal, hat die komplexe Partitur des groß besetzen aber nie „üppigen“ Werks transparent werden lassen. Wie aufregend, wie bedrohlich waren etwa das Säuseln und Flirren vor dem Verhör durch Pilatus oder der keckernde Spott und die brutalen Schläge der Soldaten.

Slawomir Holland war der Sprecher/Evangelist. Sarah Wegener, Sopran, Lucas Meachem, Bariton, und Matthew Rose, Bass, waren die Solisten, die auf der eleganten Orchesterbasis ebenso elegante souveräne Linien wie dramatische Schilderungen entwickeln konnten. - Jubel für alle Mitwirkenden. Ovationen für den anwesenden Komponisten.

Bild: SF/Marco Borelli

 

 

 

 

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