Amen, ich sage euch

FESTSPIELE / KAMMERKONZERT

25/07/17 Mag schon sein, dass Bravo-Rufe nach Messiaens „Visions d l'Amen“ nicht ganz im Sinne des Erfinders sind. Aber es war ohnedies nach einer schieren Unendlichkeit des Innehaltens. Und verdient haben Igor Levit und Markus Hinterhäuser den schließlich doch losbrechenden Jubel allemal.

Von Reinhard Kriechbaum

Orgie ist nicht das Wort, das man mit Glockenklang verbindet. Aber beim „Amen de la Consommation“, in dem mit pianistischen Mitteln zweier Spieler der Lobgesang auf die Vollendung gesungen wird, braucht es schon den orgiastischen Zugriff. Und so ließen Igor Levit und Markus Hinterhäuser in diesem Abschnitt von Messiaens Amen-Visionen die Glocken nicht nur, wie es über den Noten steht, „joyeux“ läuten. Fröhlich griffe entschieden zu kurz, Messiaen hat ja immer neue Anläufe, immer neue Rhythmisierungen geschrieben. Da darf das Temperament der Klavierspieler schon durchbrechen, das sie in den sechs Teilen zuvor meist so nobel zurückgehalten hatten zugunsten einer, wenn man es so sagen will, lauteren Exegese. Nein, stimmt nicht ganz: Das „Amen de Désir“, das unstillbares Verlangenn nach welchem Himmel auch immer beschreiben will, hat Messiaen eigentlich ja auch ganz direkt und weltlich gefasst. Und da ließen es Levit und Hinterhäuser – ein sich gut ergänzendes Klavierspieler-Paar aus sprudelnd-glasklarer Virtuosität auf der einen Seite und latenter Nachdenklichkeit auf der anderen – sogar ein klein wenig keck jazzeln. Übrigens hält diese „Désir“-Abschnitt ein ausgedehntes Solo bereit, das Hinterhäuser mit viel Charsima ausgemalt hat.

Nach den Amen-Visionen hat es eine Zeitlang so gewirkt, als ob sich gar niemand getrautre, zu applaudieren anzufangen. Ein Maßstab, dass die Botschaft stimmte. Sie stimmte auch ganz gewiss in den ersten siebzig Minuten langen Konzerts, als das Cuarteto Casals eine andere Exegese bereit hielt: Haydns „Sieben letzte Worte des Erlösers am Kreuz“. Immer wieder ist es verlockend, in diesen sieben langsamen Sätzen zu spekulieren, ob sich wohl so etwas wie Spuren von Programmmusik drin aufspüren lassen. Wenn Abel Tomàs, Primgeiger dieser fulminanten Kammermusikvereinigung, in der zweiten Sonate sich ausnahmsweise süßliches Vibrato erlaubt, fühlt man sich wirklich ins Paradies versetzt. Höchste gestalterische Disziplin, und auch ohne Vibrato viel sinnlicher Klang hat diese zur Konzentration zwingende Wiedergabe bestimmt. Und das Erdbeben, das da ausbrach, das hatte es in sich.

Hörfunkübertragungen am 1. August, 19.30 Uhr in Ö1 und am 11. August um 18.05 in BR-Klassik
Bilder: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli