Fasziniert vom Bauern-Realisten aus München

HINTERGRUND / WILHELM LEIBL UND SALZBURG

10/07/14 Die große Ausstellung über die Menschen-Porträtisten Wilhelm Leibl und August Sander ist auch Anlass für eine Schau, die der Leibl-Rezeption in Salzburg gilt. Wenig bekannte Namen: Ferdinand Matthias Zerlacher, Johann Berger. Eher kennt man noch Fritz Schider.

Wilhelm Leibl probte noch vor den Aufsehen erregenden Sezessionen um 1900 als Einzelkämpfer den Aufstand gegen die Akademien und das „Establishment“. Dem gefeierten Künstlertum und der Welt des schönen Scheins zog er ein isoliertes Dasein in einer damals noch sehr ursprünglichen, „primitiven“ Gegend Bayerns vor. Er fühlte sich zum urwüchsigen Landvolk und der unberührten Natur hingezogen. Neben einer von äußerlichen Zutaten gereinigten Malerei frönte er der Jagd und dem Kraftsport.

Leibl fand sich bald von einem Kreis Gleichgesinnter umgeben, seine Forderung nach einem konsequenten Realismus machte Schule und prägte speziell in München Generationen von Malern. Fritz Schider, einer seiner engsten Vertrauten und namhafter Maler des Leibl-Kreises, war ein gebürtiger Salzburger. Johann Berger aus Wals, dessen Laufbahn ein frühes Ende fand, besuchte dieselbe Klasse der Akademie wie Leibl. Schließlich darf auch der in in Salzburg verstorbene Steirer Ferdinand Matthias Zerlacher nicht vergessen werden, er zählt zu den interessantesten Nachfahren Leibls.

Fritz Schider (1846–1907)

Fritz Schider, Sohn eines Spirituosen- und Essigfabrikanten in Salzburg, gelangte über Umwege und Vermittlung Hans Makarts 1868 an die Münchener Kunstakademie. Er fand bald Kontakt zu dem Kreis um Wilhelm Leibl, dem er neben Johann Sperl persönlich am nächsten stand, zumal er 1872 dessen Nichte Lina ehelichte. In dieser Zeit sorgte Schider mit Bildern für Aufsehen, die wegen ihrer äußerst flüssigen, skizzenhaften Malweise später als Vorboten des deutschen Impressionismus angesehen wurden. Schider selbst enttäuschte solche Erwartungen, indem er in seinen späteren Werken auf eine besonders genaue und ausführliche, „altmeisterliche“ Wiedergabe Wert legte. Seit seiner Übersiedelung nach Basel wurde er stark von pädagogischen Aufgaben in Anspruch genommen. Hans Holbein scheint wie bei Leibl der Maßstab für seine betont realistische, dabei malerisch aber sehr souveräne Malerei geworden zu sein. Im Bild oben rechts: Schiders Porträt eines alten Pfälzer Bauern.

Johann Berger (1846–1929)

Johann Berger, der von einem verarmten Bauerngut in Wals abstammte, kam 1864 zu Fuß nach München, um die Kunstakademie besuchen zu können. Es gelang ihm auch bald, sich als viel versprechendes Talent unter seinen Studienkollegen, zu denen Wilhelm Leibl zählte, hervorzutun. Nach einigen Jahren verließ er jedoch wegen eines Streites mit seinem berühmten Lehrer Carl von Piloty Hals über Kopf München. Die Überempfindlichkeit gegen jegliche Kritik war bereits ein Symptom des Verfolgungswahns, der 1878 akut ausbrach. Berger, der vorübergehend im Atelier des gefeierten Hans Makart in Wien untergekommen war, zog sich in sein Heimathaus zurück und fristete fortan ein kümmerliches Dasein. Die vor seiner Umnachtung entstandenen Zeichnungen weisen in ihrer Schilderung des bäuerlichen Alltags und ihrem akribischen Realismus eine bemerkenswerte Parallele mit Leibl auf. - Von Johann Berger sind die "Nähenden Mädchen im Herrgottswinkel" links.

Ferdinand Matthias Zerlacher (1877–1923)

Ferdinand Matthias Zerlacher stammte aus tristen Verhältnissen, er konnte nur dank wohlhabender Gönner Künstler werden und war zeitlebens von ihnen abhängig. Zerlacher war zwar kein Zeitgenosse Leibls, fühlte sich diesem aber wesensverwandt. In dieser und späterer Zeit wurde Leibls Vorbild vor allem von Künstlern der „Gegenmoderne“ aufgegriffen. Wie Leibl scheute Zerlacher den offiziellen Kunstbetrieb und fühlte sich in einfachen rustikalen Verhältnissen am wohlsten, wie Leibl war er für seine ungemein langsame, skrupulöse Arbeitsweise verschrien. Typisch für seine Malerei ist die Zerlegung der Bildfläche in gleichartige kleinteilige Farbflächen, eine dem französischen Divisionismus verwandte Technik. Der auf diese Weise systematisierte, würfelige Pinselduktus ergibt mit der chromatischen Farbgebung eine dezent belebte Bildwirkung. (Salzburg Museum)

Bild: Salzburg Museum
Zum Ausstellungsbericht Blick auf die Menschen und auf die Archetypen