Helle Veduten und dunkle Erinnerungen

SALZBURG MUSEUM / ALFRED KUBIN

07/03/19 Natürlich ist die Idylle trügerisch, auch wenn die Sonne scheint über den Bergen und der Almwiese im Pinzgau und die Kühe friedlich grasen. Die Jahreszahl 1918, die überproportionale Grille, die die beiden Männer betrachten, und der Titel der Zeichnung, Zukunftsvision, muss uns misstrauisch stimmen.

Von Reinhard Kriechbaum

Alfred Kubin – Spuren in Salzburg also im Salzburg Museum, gespeist aus der ansehnlichen Kubin-Sammlung der Landesgalerie Linz des Oberösterreichischen Landesmuseums, ergänzt um einige Exponate des Salzburg Museums: Nach solchen Spuren muss man nicht lange suchen. Der im böhmischen Leitmeritz geborene Alfred Kubin (1877-1959) ist in der Landeshauptstadt und in Zell am See aufgewachsen. Er fand viele, viele Ausstellungs- und Künstlerkontakte hier: Mit Stefan Zweig war er in Kontakt, für Georg Trakls Text „Offenbarung und Untergang“ schuf er mehrere Zeichnungen. Mit Anton Faistauer und Anton Steinhart tauschte er sich ebenso aus, und für einen bildenden Künstler damals war ein guter Kontakt zu Friedrich Welz unverzichtbar. Und dann war da noch Emmy Haesele, mit der es – sehr zum Leidwesen von Kubins Ehefrau – nicht beim künstlerischen Austausch blieb.

Den jungen Kubin prägten die Salzburger Jahre – das Leben mit seiner Familie in Zell am See ebenso wie die weniger erquicklichen Schuljahre in Salzburg. Der frühe Tod der Mutter 1887 wird immer wieder in Kubins Bildern thematisiert. Bei Kubin prägte sich besonders die Verzweiflung seines Vaters ein, der weinend die tote Mutter in der Wohnung herumgetragen habe. Als junger Mann unternahm Kubin 1896 einen Selbstmordversuch am Grab der Mutter.

Die Landesgalerie Linz nutzte diese Ausstellung genau sechzig Jahre nach dem Tod des Künstlers, um in ihren reichhaltigen Kubin-Beständen besonders diese frühen Salzburg-Bezüge aufzudröseln. Bilder aus Kubins Jugend zeigen Motive aus Zell am See und Salzburg, er beobachtete die Natur und Landschaft, beschäftigte sich mit Gebäuden seins Lebensumfeldes und hielt verschiedene Situationen fest. Später holte er diese inneren Bilder wieder hervor. Bei Zell am See dachte er an „all die Scheunen, die Ufer des Sees, den Wald, der ihm wie eine behaglich mit Moss ausgepolsterte Wohnung erschien“.

Viele Erfahrungen aus dieser Zeit prägten Kubin also ein Leben lang, wurden Teil seiner nicht selten albtraumhaften Bildwelten. Und nicht nur das. Als er 1908 als Zeichner eine Schaffenskrise durchmachte, versuchte Kubin sich als Autor. Im Roman Die andere Seite (1909) beschreibt er den Untergang eines Traumreichs in dessen Hauptstadt Perle manches an die Stadt Salzburg erinnert. Der Palast dort mag die Festung meinen und man erkennt die „Blaue Gans“ als einen der Orte der Handlung. Biografisch motiviert erscheinen im Roman die Themen von Krankheit, Tod und Selbstmord. Die Machtlosigkeit gegenüber allen Krankheiten in Perle wirkt wie ein Hinweis auf das Leiden der früh verstorbenen Mutter.

1919, 1920 und 1921 bezeiligte sich Kubin an den Ausstellungen der Künstlervereinigung „Der Wassermann“ im Künstlerhaus in Salzburg. 1923 urlaubte der Künstler das erste Mal in Henndorf am Wallersee, das damals entstandene Blatt Henndorfer Erinnerung aus diesem Jahr zeigt eine unbeschwerte Badeszene. Neben Waldhauser im Bayerischen Wald wird Henndorf in den 1920er Jahren ein von Kubin gerne aufgesuchter Ort der Erholung. 1925 ist ein weiterer Aufenthalt als Gast von Carl Mayr gesichert. Der „Sonderbund Österreichischer Künstler“ widmete Kubin eine Sonderausstellung im Künstlerhaus in Salzburg.

Seinen 50. Geburtstag feierte Kubin 1927 ebenfalls in Henndorf. In einem Buch zu diesem Anlass finden sich Beiträge des Salzburgers Anton Faistauer sowie der Henndorfer Freunde Richard Billinger, Franz Theodor Csokor und Oskar Laske.

Kubin war einer der ersten, denen Friedrich Welz in seiner 1934 eröffneten Galerie in der Sigmund-Haffner-Gasse eine Schau widmete. Kubins Buch „20 Bilder zur Bibel“ wurde zwar von den Nazis 1936 als „schädliches und unerwünschtes Schrifttum“ deklariert, das Verbot wurde aber 1939 wieder aufgehoben. Möglicherweise war 1938 eine Kubin-Zeichnung in der Ausstellung Entartete Kunst gezeigt worden, im Jahr darauf erwähnt Kubin in zwei Briefen Kontakte zu dem aus Salzburg stammenden NS-Kunstfunktionar Kajetan (Kai) Mühlmann. Die Klippen der NS-Zeit hat Kubin, damals schon hochberühmt als Zeichner, jedenfalls gut gemeistert. Gleich nach dem Krieg und fortan in schöner regelmäßigkeit gab es in Salzburg Kubin-Ausstellungen.

Viel früher, um die Jahrhundertwende, ist das Blatt Der Sieger entstanden. Könnte es sein, dass Alfred Kubin einmal zum Ranggel-Wettbewerb auf den Hundsstoan marschiert ist?

Alfred Kubin. Spuren in Salzburg. Bis 16. Juni im Salzburg Museum – www.salzburgmuseum.at
Bilder: Salzburg Museum / Eberhard Spangenberg, München/Bildrecht Wien, 2019