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Ohrwaschel-Wucherungen

BAROCKMUSEUM / ROCAILLE

26/01/10 Das Dekor sieht aus  wie behandelt mit einer Sonderportion Wachstumshormon: Um 1730 begann es in Frankreich zu blühen, zu wachsen, zu wuchern ...

Von Reinhard Kriechbaum

Nicht, dass alle gleich auf Anhieb überzeugt gewesen wären von der Rocaille, diesen Ohrenknorpel-artigen Fantasiegebilden, die sich bald an jedes Möbelstück, an jedes Porträtbild legten und sich quer über oder rund um barocken Motive rankten. Die Kirche war von diesen Fantasie-Auswüchsen gar nicht so angetan. Bei Hofe war man's um so mehr. Und im süddeutsch-österreichischen Raum hatte man auch kirchlicherseits nichts einzuwenden gegen die sich aus Frankreich herüberschlingende Rocaille. Deshalb sieht die Kirche von St. Peter in Salzburg eben so aus, wie sie aussieht.

Zum dritten Mal widmet das Barockmuseum einer Ornamentform eine eigene Ausstellung, nach dem Bandlwerk und dem Akanthus.

Bis 1770 war dieser Stil so recht gefragt. In der Vorhalle des Schlosses Mirabell kann man Rocaille-Ornamente in Reinkultur sehen, auch im Schloss Leopoldskron, in Hellbrunn, im Neugebäude der Residenz und in der Michaelskirche. Vor allem im Schmiedeeisen findet sich bei uns Rocaille sonder Zahl. Der Stil hat alles erfasst, sogar ein metallenes Hundehalsband ist mit Rocaille verziert. Und auch ein Opferstock, den das Barockmuseum eigentlich nicht nur in der Ausstellung zeigen, sondern schleunigst in eigener Sache in Betrieb nehmen sollte. "Es reicht gerade für unsere Gehälter", klagt die Direktorin Regina Kaltenbrunner. Gerade 24.000 Euro stehen für Sonderausstellungen zur Verfügung. Da kann man sich heuer gerade noch im Sommer eine Danreiter-Schau mit eigenen Beständen und solchen lokaler Leihgeber leisten.

Aber wenigstens üppiges Dekor in der Sonderausstellung jetzt. Zwei Blätter von Johann W. Baumgartner, kolorierte Kupferstiche, schauen fast nach Pop Art aus, so bunt ist der charakteristische Ohrknorpel-Zierrat gehalten. Die Rocaille hat das Rokoko-Zeitalter geprägt und ihm auch den Namen gegeben. Sie hat nachgewirkt, wie man in der Schau auf einigen Hinterglasbildern im typischen Sandl-Stil sieht. Aber als Klassizismus angesagt war, gingen Kunst-Beurteiler nicht gerade freundlich um mit der Rocaille: Sie sei, schrieb einer gar schon 1755, ein "Mischmasch von Schilf und Stroh, aus abgeschnittenen Haarlocken, Flederwischen, zerbrochenen Muscheln, Fischschuppen, Gräten, Schwänzen und Besenreisig, voller Drachen, Schlangen und anderem Ungeziefer". Eine Zeit halt, in der die "Hirngespinste" sich zu üppigem Volumen auswuchsen.

Zur Ausstellung - bis 11. April im Salzburger Barockmuseum - bieten die "Barockberichte" (Heft 51/52) vertiefende Texte und anschauliches Bildmaterial. - www.barockmuseum.at
Bilder: Barockmuseum

 

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