Amors Selfie mit Seifenblase

DOMQUARTIER / RESIDENZGALERIE / ALLEGORIE

20/07/17 Sollte einem Ausstellungsbesucher das Thema „Allegorie“ allzu barock-vorgestrig vorkommen, könnte man ihm kurz mal anraten, die eigenen Facebook-Kontakte durchzusehen. Er stößt ganz gewiss rasch auf zeitnahe Allegorien: der Eitelkeit, der Betriebsamkeit, gar der Selbstverliebtheit. Und die Fotos vom servierten Essen am Urlaubsort lassen womöglich gar an Völlerei und Müßiggang denken.

Von Reinhard Kriechbaum

Schon sind wir also mitten drinnen in der Sommerausstellung der Residenzgalerie im DomQuartier. Erzbischof Harrach hatte kein Facebook, aber durchaus ausgeprägten Hang zur bildlichen Selbst-Erhöhung. Mit Selfies war damals nichts auszurichten, er musste Maler beschäftigen (etwa Altomonte). Harrachs Besucher in der Residenz wussten dann schon, dass der Freskenzyklus über Alexander den Großen nicht der Antikenbegeisterung des Fürsterzbischofs geschuldet war, sondern der eigenen Erhöhung des Salzburger Landesfürsten diente. Seine Salzburger Christenseelchen wollte Harrach in etwa so zu zügeln wie Alexander das Pferd, dessen Name heutzutage nicht mehr zum Bildungskanon zählt.

Das mit der Bildung ist eh so eine Sache: Wollte man all die Allegorien der Barockzeit, von denen neunzig an den Museumswänden hängen und eben viele weitere an die Decken der Prunkräume gemalt sind, verstehen – dann brauchte es echt viel humanistisches Wissen. In der Welt der Götter und Halbgötter sollte man sich so auskennen, und bei Ovid sowieso. Die Maler bedienten sich dieses Fundus, um Wesenszüge, Verhaltensweisen, Eigenheiten und Erwartungen „allegorisch“ auszudrücken. „Anders sagen“ oder „bildlich reden“ heißt das griechische Wort.

Kunsthistoriker haben viel Fleiß aufgewendet, den Begriff Allegorie von Personifikation oder Symbol abzugrenzen. Aber die Künstler haben letztlich gemacht, was sie wollten und was ihnen sinnvoll und (für die Gebildeten) verständlich erschienen ist. So hat man also oft ein Gewusel von Figuren vor sich.

Dass das Dechiffrieren der Inhalte Belesenheit, Recherche und Kombinationsfähigkeit verlangt, das kann man greifen, wenn die Gestalter der Schau – Erika Oehring, Astrid Ducke und Thomas Habersatter – zum Erklären anheben. Was da oft an Geschichten und verklausulierten Botschaften drin steckt!

Victoria krönt den Sieger, das erkennt man auf den ersten Blick. Die Feinde liegen tot oder gebunden da. Aber welchen Geschlechts ist die zweite Götterfigur? Herr Mars vielleicht, oder doch eine andere Göttin? Der Krieg gibt allemal viel Allegorisches her, und das in großer Bandbreite. Karl V. hält sein Szepter mit heroischer Geste auf eine Weltkugel. Ihm ist die Welt Untertan. Zwei Bilder weiter, in einer Kriegs-Allegorie von Rubens, schaut die Angelegenheit schon ganz anders aus. Beim gefallenen Krieger sitzt eine bitterlich weinende Frauenfigur. Auch Kubin lässt den Kieg geharnischt daher stampfen. Aber der österreichische Meister des Bedrohlichen ist mit seinen Lithos auch in der Abteilung mit den Todsünden repräsentativ aufgehoben. Der Zorn führt einen ordentlichen Tanz auf. Ein Graphik-Blatt von Edvard Munch zeigt uns „Die Sünde“. Eine Frau, wie zu erwarten, und rothaarig auch noch.

Der Themenkreis ist riesig, weil Erdteile genau so Thema von Allegorien sein können wie die vier Elemente, Tag und Nacht, die Jahreszeiten, die Künste und Wissenschaften, Verhaltensweisen wie Todsünden oder Kardinalstugenden. Oder auch Eigenschaften wie die fünf Sinne. Der Geschmackssinn kippt allzu leicht hinüber in die Völlerei). Manche Themeneinordnung, so erklärt Erika Oehring, habe man bei genauerer Bildbetrachtung geändert, weil man in manchem Bild hintergründige Botschaften entdeckte.

Nicht unlustig, dass einer der frühbarocken Kunst-Theoretiker in einem Vorlagenbuch den nordamerikanischen Truthahn als Metapher für den Kontinent, und auch für aufbrausendes Temperament vorstellte. Das Weiße Haus scheint im Moment barocke Metaphorik einzulösen. Europa sehen wir in einem Gemälde mit Füllhorn (wohlhabend), mit Waffen (Kriege führend), und, wenn auch ziemlich am Bildrand, mit Pinsel und Farben. Also schon Kunst auch als kontinentales Wesensmerkmal...

Ja und dann geht’s zum Tod, zur Vergänglichkeit, und gerade dort wartet Rembrandts lieblicher Amor mit der Seifenblase. Die Leihgabe aus der Sammlung Liechtenstein ist Plakatmotiv. Rembrandt hat diesen Amor angeblich gemalt, als er gerade seine Frau ehelichte und ziemlich verliebt war. Und dazu die Seifenblase, ein so vergängliches Ding? Im Barock war man wohl pessimistischer (und realistischer) als mancher heutige Selfie-Allegoriker.

Allegorie. Die Sprache der Bilder. Bis 6. November in der Residenzgalerie/Domquartier – www.domquartier.at
Bilder: Residenzgalerie / Sammlung Liechtenstein / Belvedere / UB Salzburg