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Die Kunst lebt derzeit in einer WG

KÜNSTLERHAUS / JAHRESAUSSTELLUNG

04/12/13 Der Zeitgeist: Das wäre ein „White cube“, in dem Kunstwerke als Einzel-Artefakte mit viel Luft drumherum vorgezeigt werden. Der Gegenentwurf: eine Ausstellung, die unmittelbar die Assoziation an eine Kunst- und Wunderkammer aus Renaissance und Barock weckt.

Von Reinhard Kriechbaum

126Vielleicht will sie auch einfach nur Kunst-Rumpelkammer sein. Nicht versperrt, sondern zum Betreten und Staunen einladend. Da stehen also im Saal des Künstlerhauses, in der Jahresausstellung des Kunstvereins, unendlich viele alte Schränke. Früher sind Möbel ja aus Holz und nicht aus Spanplatten gemacht worden. Beim Verein WABE, der altes Wohnungsinventar sammelt und recycelt, finden sich solche Dinge noch.

Die Kästen, Fächer und Schubladen sind „eingerichtet“: 129 der 550 Kunstvereins-Mitglieder haben Dinge angeliefert. Nicht alles hat in den Möbeln Platz, manches Bild hängt dann doch an der Wand. Auch Peter Brauneis‘ lebensgroßes Reiterstandbild (solche Pferde gibt es als Auslagendekoration) könnte man schwerlich in einen Schrank zwängen. Andere Dinge haben gut Platz: Artefakte, Erinnerungsstücke, Konzeptkunst in allen technischen Spielarten. Man weiß gar nicht, wo anfangen und wo aufhören zu schauen. Von Beschreiben gar nicht erst zu reden.

128„Ich wollte diesen Saal einmal ganz voll sehen“, sagt die junge Kuratorin Luise Reitstätter. Das ist ihr total gelungen. Ihre Kollegin Lena Kalt, Bühnenbild-Studentin am Mozarteum, hatte ausreichend zu tun, all die kleinen, mittelgroßen und ganz großen Kunst-Dinge zu verteilen. Sie sind so angeordnet, dass im günstigen Fall nette Verstärkungseffekte oder auch witzige Kontraste entstehen. Lili Fullerton-Schnell sind die Seidenstrumpfhosen, die Damen offenbar manchmal recht unangenehm einschnüren, ein Dorn im Auge. Daraus und aus Drahtgestellen hat sie einen Haufen von Objekten gemacht, die das Korsett-artige betonen und aus dem Kasten herauszupurzeln scheinen. Drinnen sind Zeichnungen von Martin Stock, ein sehr klares graphisches Lineament, mit dem die Künstlerin auch dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern nachspürt.

Elisabeth Wörndl hat Spiritus-Medizinpräparate fotografiert, und Kolleginnen haben gleich im Kasten daneben auch Eingeweiden ähnelnde Objekte aus Wachs und anderem Material untergebracht.

127Das Spielerische kommt nicht zu kurz. Hinter dem Namen „Schülerkebap“ verbergen sich Franz Bergmüller und Siegfried Zaworka. Sie haben Quietschtiere aus Plastik aufgelegt und eine bewegliche Plexiglasplatte darüber montiert. Man darf draufsteigen und seine eigene Kakophonie produzieren. Mein persönliches Lieblingsstück: ein „Musikmöbel“ von Sina Moser, überzogen und ausgekleidet mit glattgestrichenen Blechen von Getränkedosen. Jedes Einzelne ist sorgsamst mit Rutzenden kleinen Nägelchen befestigt. Und der Plattenspieler im Inneren kann sogar Musik von sich geben!

Auch im „Wunderkammer-Format“ bleiben sich viele Künstler, die sonst in  ganz anderen Dimensionen arbeiten, im Prinzip treu. Gerold Tusch ist gerade in einer „Archiv-Phase“. Er habe sich von seinen vielen alten Hemden nicht trennen können, sagt er. Letztlich hat er sie zerschnitten und Stofffleckerln in eiförmige Keramik-Rahmen gespannt. Daraus soll ein Langzeitprojekt werden. Tusch sammelt jetzt „Erinnerungsstoffe“, rahmt sie und sammelt auf Karteikarten die persönlichen Geschichten dazu.

129Wolfgang Richter, der sonst der Land Art frönt, hat für einen Kasten ein paar kleine Natur/Kunst-Objekte spendiert: Schneckengehäuse, Eicheln und dergleichen legt er in flache Holzrahmen und gießt sie in Kunststoff ein. Die Assoziation zu Bienenwaben stellt sich ein.

Die Schau mit dem Titel „Für die Fülle“ ist die letzte, die Hemma Schmutz als Kunstvereins-Leiterin verantwortet. Gerade für die Jahresausstellungen hat sie sich von Anbeginn ihrer Tätigkeit hier immer Besonderes ausgedacht. Sie hat Kuratorinnen herangezogen, und so ist die Schau weg gekommen vom Image der jährlichen Pflichtübung für Kunstvereins-Mitglieder.

Hoher Kreativitätswert auch diesmal, man könnte Stück um Stück beschreiben, Eigentümliches und Rätselhaftes, Kreatives und Hintersinniges. Typische Ausstellungsbesucher seien ja nicht die einsamen, konzentrierten „Connaisseurs“, sondern „flanierende, parlierende Leute“, so Luise Reitstätter. Sie finden fürwahr Gesprächsthemen zuhauf im Künstlerhaus. Die Kunst sei eben nicht „im Einfamilienhaus“. „Hier ist eine WG“, sagt die Kuratorin verschmitzt.

„Für die Fülle. Jahresausstellung 2013“ im Salzburger Künstlerhaus. Bis 26. Jänner 2014 – www.salzburger-kunstverein.at
Bilder: dpk-krie

 

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