Das Trostlose in seiner ganzen Breite

LEICA GALERIE / CHRISTOPH GRILL

31/03/11 Wenn sich Menschen in die Dokumentarfotos von Christoph Grill verirren, dann tragen sie Vornamen. Das schafft wenigstens ein wenig Nähe in der ästhetischen Wüstenei der riesenhaft-weitläufigen Pampa der ehemaligen Sowjetunion.

Von Reinhard Kriechbaum

altPetropawlowsk in den Weiten Sibiriens. Da verirrt man sich freiwillig nicht hin, es sei denn, es ist irgendwie beruflich bedingt. Oder man ist Dokumentarfotograf wie der in Graz lebende Christoph Grill.  Seit über zehn Jahren widmet er seine fotografische Arbeit einem einzigen Vorhaben: wie die fünfzehn Nachfolgestaaten in die Unabhängigkeit gegangen sind und was für Folgen das für die Menschen hatte.

Manches Relikt ist da stehen geblieben, als plötzlich die zentrale Machtsteuerung weggefallen ist. So steht jetzt eine Art „Heldentor“ wie eine absurde Theaterdekoration irgendwo in der Grassteppe von Kasachstan. Auch dort irgendwo: Ein Plattenbeton-Bau ist als einziges Gebäude einer geplanten Siedlung fertig geworden, die Straße davor ist auch nicht recht weiter gediehen. Das Strandleben in Palampa, an der Küste Litauens, erinnert an den Tourismus an der oberen Adria vor sechzig Jahren.

altIn extremem Querformat fängt Christoph Grill seine Motive ein. Das verstärkt den Eindruck von Weite, auch von Leere, von einer all zu gewissen Hoffnungslosigkeit. Freiheit hat wirtschaftliche Destabilisierung gebracht. Vom Stillstand macht Grill sich (und uns) ein anschauliches Bild.

Es bleibt Freiraum zum Interpretieren: Da sitzt ein Mann in einem Autobuswrack, links davon ein paar Kühe. Ist es ein Soldat, der Wache schiebt? Oder ist es eher ein Kuhhirte im Military-Look? Im buchstäblichen weißen Nichts sitzt ein Eisfischer, hockt im äußersten linken Eck des Bildes, das unwirtliche Unendlichkeit vermittelt, dass es den Betrachter fröstelt.

Und manchmal findet Christoph Grill auch Skurriles, dann schleicht sich Humor in die Trostlosigkeit: Ein Pferd steht im Massivbeton-Wartehäuschen, und weil es den Kopf wegdreht vom Betrachter, macht es einen recht kopflosen Eindruck. Auf einem anderen Foto hängt ein Steinbock-Krickerl recht dekorativ-absurd an einer schäbigen Elektro-Rohrleitung.

Bis 9. April in der Leica Galerie. - de.leica-camera.com
Bilder: Leica Galerie