Nazi-Kunst ist geduldig – und ihre Betrachter sind es auch

HINTERGRUND / „ABGESTELLT?“

29/03/11 „An jeder Hausecke steht in Salzburg Nazikunst“, sagt einer der Studenten vollmundig. Auf Anfrage von DrehPunktKultur ein paar dieser Ecken preiszugeben, war er dann aber doch nicht bereit: Da solle man schon morgen (Mittwoch, 30.3.) um 13 Uhr zur Vernissage des Kunst-Interventionsprojekts „Abgestellt“ kommen.

Von Reinhard Kriechbaum

altSkulpturen von Nazi-Künstlern stehen tatsächlich öffentlich herum. Der Paracelsus von Josef Thorak zum Beispiel, der so nachdenklich das Kinn reibt. Eine ähnliche Pose nehmen die Verwandten von Max Rieder ein, die ihren Vater bzw. Großvater mit seiner „Mutter und Kind“ (auf dem Spitalsgelände, im Park nahe der Frauenklinik) auch in die Kategorie „Nationalsozialistische Künstlerstars“ eingeordnet finden. Thorak-Schüler, ja, aber Star damals? Keine Rede, sagen sie. Aber immerhin war diese Skulptur Teil einer von der SS organisierten Ausstellung, die 1944 in der Residenz zu sehen war.

altEs gehe nicht darum, „die Moralkeule zu schwingen“, erklärt Hildegard Fraueneder. Sie und der bildende Künstler Bernhard Gwiggner haben mit Kunststudenten der Universität Mozarteum gearbeitet. Die jungen Leute haben Kunst-Interventionen vorbereitet, die man am 30. und 31. März wird sehen können.

Aus einem kleinen Forschungsprojekt und zwei Symposien ist dieses „Podium 10“-Projekt herausgewachsen. Nicoletta Hibler hat sich eztwas Originelles ausgedacht: Sie hat Topflappen mit ein paar Kunstwerken aus fraglicher Zeit bedruckt. Eine Lesart: Es sind Skulpturen, an denen sich keiner die Finger verbrennen will. Weil: „Die Frage ist immer drängender geworden, ob es eine ‚richtige‘ Auseinandersetzung mit diesem Themea gibt oder ob die Beschäftigung eigentlich immer unzulänglich sein muss.“

Clara Widerin hat ein Foto von Rieders „Mutter mit Kind“ in ein Kippbildchen verwandelt. Da sind die Haare der Frau wegretuschiert, so dass plötzlich ein Mann das Kind lockt. Genderbewusstsein mit dem Holzhammer zwar, aber natürlich reichen manche heute noch verbreitete und gesellschaftlich anerkannte Stereotype zurück in die Nazizeit.

altMit dem Paracelsus und dem Kopernikus von Josef Thorak haben sich die Studenten beschäftigt, mit Max Rieders „Mutter mit Kind“, mit der „Amazone“ von Alexander Agricola und jener nackten Frauenfigur von Fritz Klimsch, die ebenfalls vor der Frauenklinik sitzt.

Bernadette Edtmaier hat sich umgehört in der nach Josef Thorak benannten Straße in Aigen. Von denjenigen Anrainern, die den Fragebogen auch wirklich retourniert haben, ist immerhin ein Drittel dafür, dass die Straße umbenannt wird.

„Alle Projekte sind interventionistisch und temporär“, sagt die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder, sie sollen zu Dialogen mit und zwischen den Passanten führen. Zwei Wünsche hat sie für die Zukunft: Dass die Forschungen, altdie Nazi-Zeit und ihre Künstler in Salzburg intensiviert werden. Und dass es weitere Kunst-Interventionen mit zeitgenössischen Mitteln gebe. Für ein weiteres Projekt, das im Sommer hätte stattfinden sollen, habe man zehn Künstlerinnen und Künstler eingeladen. Erzählt Fraueneder. Aber dafür habe es keine Subventionen aus dem Kulturfonds der Stadt gegeben.

Der bildende Künstler Bernhard Gwiggner: „Wichtig ist, dass auch die Studierenden Position beziehen.“ Wie die jungen Leute denken, spiegelt die Widersprüche und Ambivalenzen beim Umgang mit dem Thema, die durch das Kunstprojekt „Abgestellt?“ thematisiert werden sollen.

„Abgestellt?“ – Eröffnung am Mittwoch, 30. März um 13 Uhr beim Zauberflötenspielplatz.
Aktionen im Kurpark zwischen den Thorak-Statuen (am 30. 3., 13-19 Uhr und am 31. 3., 12-18 Uhr); im Park des Salzburger Landeskrankenhauses (am 30.3., 15-16 Uhr und am 31.3. 13-14 Uhr). – www.podium10.at/podium10/politisch-verfemt
Bilder: dpk-krie
Zum Kommentar {ln:Volkes Seele kratzt das alles nicht}