Von wegen Krone der Schöpfung

HAUS DER NATUR / EVOLUTION

31/05/22 Wir Menschen sind „Evolutionsgewinner“. Wir sägen erfolgreich auf dem Ast, auf dem wir sitzen – und zerstören die Lebensgrundlage aller Lebewesen. Dabei sind wir genetisch auch nicht viel mehr, als Mikroben oder Elefanten. Begonnen hat alles vor 3,5 Milliarden Jahren mit einer Urzelle... Davon erzählt das Haus der Natur in der neuen Ausstellung Evolution Mensch&Vielfalt.

Von Heidemarie Klabacher

„Wir Menschen haben mit unseren nächsten lebenden Verwandten, den Schimpansen, rund 99 Prozent des Erbgutes gemeinsam. Selbst die Meeres-Schwämme, die zu den ältesten tierischen Vielzellern zählen, steuern etwa siebzig Prozent ihrer DNA zu unserem Erbgut bei.“ Diese nicht neue, aber doch immer wieder überraschende Erkenntnis findet in der Gestaltung der Ausstellung ihren Ausdruck: „Geschwungene Formen verbinden alle Räume, so wie die Bausteine des Lebens uns Lebewesen miteinander verbinden.“
2,2 Millionen unterschiedliche Lebewesen gibt es derzeit auf der Erde. Mit dem interaktiven Monitor Baum des Lebens kann man „auf der Suche nach unseren Verwandten zurück bis zum Ursprung des Lebens reisen“. In der Vitrine der Vielfalt sind alle Gruppen von Lebewesen vertreten - zusammengestellt aus der Sammlung des Museums.

„Auf einen Blick erfasst man Bakterien und Pflanzen, Pilze und Nesseltiere, Stachelhäuter und Fische ... bis hin zu den Säugetieren.“ Im Kino der Ausstellung werden zwei vom Mediendesigner Michael Tewiele produzierte Filme gezeigt. „Einer beschreibt die Entstehung der Vielfalt, der andere beantwortet die Frage, wie Evolution eigentlich funktioniert.“ Präparate aus der Sammlung des Museums ergänzen das Thema: Halbseitenpräparate von Säugetieren, Vögeln und Fledermaus zeichnen den Weg der Evolution am Beispiel des Fliegens nach.“

Was sind die treibenden Kräften der Evolution? „Seit Milliarden von Jahren führen die Beziehungen von Fressern und Beute zu Anpassungen aneinander: Gezeigt werden Jäger und Gejagte, etwa drei Wölfe, die ein Marco-Polo-Schaf jagen. Thema sind aber auch die raffinierten Abwehrstrategien von Beutetieren.“ Lebewesen fressen und jagen einander aber nicht nur, „die Evolution brachte auch unzählige Formen der Kooperation zwischen Lebewesen hervor“. Anhand von Skulpturen der Berliner Künstlerin Lisa Büscher wird die Geschichte der Menschwerdung vom 3,2 Millionen Jahre alten Vormenschen „Lucy“ bis hin zum Homo sapiens nachgezeichnet. „Die menschliche Evolution ist ein Wechselspiel von Versuch und Irrtum: Über Millionen von Jahren hinweg besiedelten verschiedene Menschenarten die Erde, manchmal teilten sie sich auch denselben Lebensraum. Homo sapiens ist der einzige Vertreter unserer menschlichen Verwandtschaft, der überlebt hat.“

In einem Wechselspiel zwischen Anpassung an veränderte Klimabedingungen und der Eroberung neuer Lebensräume entwickelte sich die Gattung Mensch also immer weiter. Die Gehirnleistung steigerte sich, Werkzeugtechniken wurden verfeinert, Kulturen entstanden. Die Sprachfähigkeit ermöglichte die Weitergabe komplexer und abstrakter Informationen und schließlich eroberte Homo sapiens den Globus. „Die Ausstellung thematisiert auch diese kulturelle Evolution, sie war der Grund, dass unser Dasein sich in kürzester Zeit rasant verändert hat.“ Leider schaufelt sich der Mensch auf der Erde selber sein Grab: „Durch seinen Erfolg wurde der Mensch zum bestimmenden Umweltfaktor unseres Planeten. Im Jahr 2021 lebten 7,87 Milliarden Menschen auf der Erde, im Jahr 2100 werden es rund elf Milliarden sein.“ Wir wissen es alle, das Haus der Natur macht es deutlich: „Wir sind dabei, unsere eigene Lebensgrundlage zu zerstören. Wenn wir unsere Zukunft nicht gefährden wollen, müssen wir uns diesen Herausforderungen jetzt stellen.“

www.hausdernatur.at
Bilder: Haus der Natur / Neumayr