Chronistin von Flora und Fauna

STADTGALERIE LEHEN / SCHREYER  

19/03/21 Wiesen. Waldboden. Baumrinden. Disteln. Fledermäuse... Tuschezeichnungen   zu großen Bildern aus mehreren kleineren Blättern  zusammengefügt. Sie hängen an der Wand oder liegen am Boden auf schrägen Podesten: So präsentiert sich die Ausstellung vegradnis von Ingrid Schreyer in der Stadtgalerie Lehen.

Von Hildegund Amanshauser

Wir sehen bunte Geflechte von natürlichem Lebensraum, entdecken bei näherem Hinschauen Ameisen, aber manchmal auch scheinbare Trugbilder von Fratzen. Brillant gemalt, Nah- und Fernsichten auf Flora und Fauna auf Aquarellpapier. vegrandis ist ein lateinischer Begriff, er bedeutet von abnormer Größe also winzig klein, aber auch riesengroß. Phonetisch erinnert er an Wegrand, alle drei Bedeutungen finden ihren Ausdruck in dieser Ausstellung.

Die Gestaltung der Ausstellung, mit Boden- und Wandarbeiten scheint der Logik des Blicks auf die Natur zu folgen. Auf dem Boden sind diejenigen Arbeiten , die einen Blick auf den Wald- und Wiesenboden (und ein Wespennest) werfen in horizontaler Aufsicht. An den Wänden jedoch finden wir Pflanzen wie Disteln, Sonnenblumen, aber auch Fledermäuse oder Hangsicherungsnetze in vertikaler Ansicht.

Die Farben sind gedeckt, grün, rot, blau gelb, violett. Ganz anders als bei wissenschaftlichen Abbildungen von Pflanzen und Tieren aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, die jeweils einzeln mit Merkmalen und Details auf einem Blatt verewigt wurden, sind hier Flora und Fauna nicht vereinzelt, sondern immer im Kontext der umgebenden Natur. Manchmal entsteht dabei ein Geflecht, das die ganze Arbeit durchwebt, manchmal gibt es ein davor und dahinter, manchmal sind auch mehrere Blätter hintereinander montiert, mit Löchern, die bisweilen auch den Blick auf die Wand freigeben. Schreyer ist eine brillante Chronistin von Flora und Fauna, häufig in der lokalen Umgebung ihres Wohn- und Arbeitsortes Salzburg.

Die Bilder erschließen sich vielschichtig. Von der Ferne könnte man glauben, es wären abstrakte Bilder von geflechtartiger Struktur, in der Nähe erkennt man zunächst größere Formationen. Geht man mehr ins Detail, entdeckt man immer wieder Neues, kleine Tiere, vertrocknete Pflanzen, Reste von menschlichen Eingriffen.

Im zweiten, im kleineren Raum der Stadtgalerie Lehen legt Schreyer ihre Arbeitsweise offen, indem sie Kopien der Fotos, die als Grundlage der Aquarelle dienen, an die Wand hängt. So wird ihre Recherche und ihre künstlerische Methode des genauen Malens nach Vorbild der Natur deutlich. Es wird bis ins kleinste Detail nachvollziehbar, wie unterschiedliche Bilder neu zusammengefügt und Farbgebung geändert wird.

Ingrid Schreyer lässt uns an ihrem Blick auf die Natur teilhaben. Sie geht, frühen Naturwissenschaftlerinnen nicht unähnlich, mit uns in die Natur hinaus und öffnet uns die Augen, für ihre Schönheit und viele, viele Details. Wohl aber auch für die Gefährdung der Natur durch den Menschen.

vegradnis - Ingrid Schreyer in der Stadtgalerie Lehen - bis 30. April - www.stadt-salzburg.at
Bilder: Stadtgalerie Lehen / Ingrid Schreyer