Wir bauen den Juden zu viele Moscheen

MOTZART-WOCHE / RETHER

08/02/10 Malträtiert werden Klaviere oft. Aber geputzt? Auf offener Bühne? Selten. Fast so selten, wie man einen Kiffer im Opiumrausch auf dem Oktoberfest kotzen sieht. Und das würde man auf der Wies'n auch gar nicht dulden, „denn wir haben die überlegene Moral“.

MOTZART-WOCHE / RETHER

08/02/10 Malträtiert werden Klaviere oft. Aber geputzt? Auf offener Bühne? Selten. Fast so selten, wie man einen Kiffer im Opiumrausch auf dem Oktoberfest kotzen sieht. Und das würde man auf der Wies'n auch gar nicht dulden, „denn wir haben die überlegene Moral“.

Von Heidemarie Klabacher

Müde, abgekämpft, sehr still, sitzt er da in seinem Chef-Sessel. Mehr mit sich selbst, als mit seinem Publikum beschäftigt. Am Nachmittag war er im Zoo und hat die „depressiven Zebras im Schnee“ besucht, erzählt Hagen Rether. „Anif heißt der Ort? War sehr schön da. Zwei Stunden hab ich mir das Elend angeschaut.“ Diese Stimmung scheint - trotz guten Kaffees („Die Türken sind nur bis Wien gekommen, habe ich immer gedacht“) - den ganzen Abend lang nachzuwirken.

Kein Wunder, dass die Eltern ihm verboten haben, Bauingenieur zu werden, und ihm zum Besuch eines Kabarettisten-Internats gezwungen haben! Tatsächlich hielt Hagen Rether sein Publikum in der ARGE fast drei Stunden lang in seinem Bann: mit einer Art innerem Monolog und allen Anzeichen einer leichten Borderline-Störung und Monk'schen Zwangshandlungen (Klavier polieren).

Für einen Rundumschlag gegen Gott, dessen Stellvertreter auf Erden und gegen die Konsum- und Medienwelt reichte die Energie alle Mal. Selbstgefährdung jedenfalls ist ausgeschlossen. Und auch das Kotzen kommt Hagen Rether ganz von selbst. Und nicht nur wegen der Darmbakterien im Yoghurt.

Weinkultur/Drogen: Die Welt krepiert am Suff und nicht an Opium-Derivaten. Fußball: Bürgerkrieg jeden Samstag. Fußball/Drogen: Selten, ganz selten, dass so ein Opiumraucher mal im Stadion ist. Zynismus: Wurst im eigenen Darm. Außenpolitik: Noch vier Jahre Bush und die Amis wären nach Mexiko geflohen. Hätte Saddam Hussein in Den Haag ausgesagt, hätte die gesamte Familie Bush bis ins siebte Glied nach Arabien auswandern müssen. Deutsche Innenpolitik (gilt sinngemäß auch für Österreich, Anmerkung): Wieso wählen die Viecher immer ihre Metzger? Rumänien/Bulgarien: Irgendwo muss man das Geld ja waschen, bevor man es in der Schweiz zum Trocknen aufhängt.

Auf die Wurzel allen Übels hat ihn ein Fan in der Fußgängerzone in Essen angesprochen: „Wie bauen den Juden zu viele Moscheen.“ Überhaupt, die Religionen und das Papa-Mobil: Da fährt einer hinter Panzerglas und predigt Gottvertrauen. Wenn der Hirte Angst vor den Schäfchen, was macht er, wenn der Wolf kommt? Aids, Kondomverbot, 70.000 Abtreibungsopfer jedes Jahr: "Wenn ich so ein schlechtes Gewissen hätte dann würde ich auch hinter Panzerglas fahren.“ Nett, das Rether den Dalei Lama auch nicht ungeschoren lässt.

Und es ist wirklich nicht witzig, was Rehter so daherbringt, sich unzählige Male wiederholend und in sich hineinmurmelnd: Clinton hatte Oralsex mit einer Frau und Bush hat ein ganzes Land vergewaltigt und sich tot gelacht. „Die USA, das Land der unmöglichen Begrenztheiten.“ Die CIA hat’s übrigens rausgekriegt! Dass 2010 ganz toll werden soll, dass es im Profisport nicht immer mit rechten Dingen zugeht, dass Obama in Wahrheit der Wallraff ist, und dass Tibet seit 50 Jahren besetzt ist! Dann gibt’s einen Empörungs-Tsunami in den Medien, damit die Menschen nicht versehentlich anfangen, selber zu denken.

Ja, und dazwischen: Klavier polieren. Monk nichts dagegen. Und die gesparten Reinigungskosten haben sich ARGE-Leiter und Kabarettist an der Buchhaltung vorbei schwarz geteilt! Die CIA hat's rausgekriegt.

Bild: ARGEkultur