Anhänglich bis zum Gehtnichtmehr

WINTERFEST / MAGMANUS

07/12/15 Wer sagt, dass Zirkuskünstler ausschließlich sich selbst per Schleuderbrett himmelwärts katapultieren lassen müssen? Und wer sagt, dass Jonglage und eine Schleuderbrettnummer nicht ineieinander wachsen können? Poesie mit latenter Gefahr, sich totzulachen.

Von Reinhard Kriechbaum

Manu Tiger und Massi Rossetti werden es bald vorzeigen, aber erst einmal müssen die beiden Burschen, die sich tapsig aus dem Gegenlicht auf ihre Zuschauer zubewegen, erst einmal lösen. Voneinander lösen. Sie haben nämlich gar sonderbare, panzerartige Kostüme, die sich als solche aus Klettstoff herausstellen. Auch die Handschuhe sind von solcher Art, dass selbst harmlose Berührung zwangsläufig in Anhänglichkeit ausartet.

„Attached“ heißt die Produktion, mit der die beiden Herren, die unter dem Titel „Magmanus“ ein schier unzertrennliches Team bilden, nun beim Winterfest für einen Abend mit ganz eigener, zaubrischer Poesie sorgen. Ja, die Klett-Anzüge: Trennung ist da nur mit Kraft und einem lauten „Ratsch“ möglich. Kommt man einander zu nahe, ist's auch schon wieder vorbei mit der vermeintlichen Selbständigkeit. In dem Fall ist es so, dass der eine, ein kräftiger Lackel, den kleineren Kollegen durchaus gerne loswerden würde. Dieser aber entwickelt beinah masochistische Freude daran, dem anderen auf den Pelz, pardon: aufs Klett-Gewand zu rücken.

In diesen Episoden hat die Performance viel clowneske Anmutung. Der Kräftige wirkt gutmütig, aber wenn's ihm reicht, dann bugsiert er den Kleinen schon mal in ausweglose Lagen. Das arme Leichtgewicht mit dem blonden Islamistenbart setzt dann seinen angstvoll-verzweifelten Blick auf. Aber rasch ist er wieder der so kecke wie selbstbewusste Gegenspieler...

Es gibt viele Möglichkeiten, seine Anhänglichkeit zu zeigen, auch ohne Klett-Kostüm: auf Schleuderbrettern, auf Kisten unterschiedlicher Größe und Kippgefahr. Die riesige metallene Wippe ist auch so ein Foltergerät, das ein Eigenleben an Schwer- und Zentrifugalkraft entwickelt. Da kann es schon passieren, dass man aus der Bahn geschleudert wird und auf einer großen Matte – richtig vermutet! - haften bleibt. Es braucht dann einen Freiwilligen aus der Zuschauerschar, der mit dem Brecheisen zur Befreiung des Artisten beiträgt.

Das ist alles erstens gefinkelt erdacht und zweitens zum Totlachen. Nicht wenige hoch konzentrierte artistische Vorbereitungen münden in unerwarteten Slapstick. Dann wieder mündet scheinbar Nebensächliches in Körperaktion, die einen kurz den Atem anhalten lässt. Magmanus' Balance aus buffoneskem Spiel und artistischer Brillanz ist schier unüberbietbar.

Ach ja, wie ist das nun mit Schleuderbrett und Jonglage? Plötzlich zaubern die beiden Miniwippen hervor: Drei solcher Wippen, sechs kleine weiße Bälle, zwei Bürostühle – und schon kann es losgehen mit einer Nummer, die nur schwer an Leichtigkeit, Charme und Witz zu übertreffen ist. Fast möchte man es nicht glauben: Auch in dem mit bombastischen Vorbereitungen (und Assistenz aus dem Publikum) verbundenen Showdown spielen all diese Utensilien eine Rolle. Die ganz großen wie die winzigen.

Aufführungen bis 23. Dezember im Zirkuszelt im Volksgarten – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest / Eva trifft