Wiederholen macht auch nichts besser

LANDESTHEATER / OVAL / BIOGRAFIE: EIN SPIEL

26/09/22 Was wäre gewesen, wenn? Was würde sich ändern, wenn? Ein unerfülltes Leben in erfüllten Möglichkeiten oder die Lebenserfüllung im Unerfüllten? Eine Spielanordnung von Max Frisch in Biografie: Ein Spiel im Europark-Oval als Ausweichquartier für die Kammerspiele.

Von Erhard Petzel

Max Frisch reiht sich in eine Phalanx von Schriftstellern und Geschichtenerzählern jederlei Geschlechts, Gattung und Anspruchs ein, die mit den Möglichkeiten von Zeitumkehr und alternativen Handlungsverläufen spielen. Mit Biografie: Ein Spiel war er 1968 allerdings kein Spätzünder und arbeitete seine Sichjt auf die Dinge mit einer gehörigen Portion Ironie aus. Seine Fiktion gibt sich literarisch konstruiert und streift damit am Komödien-Verdacht nur an. Auch bei Max Frisch gibt es Ansätze zum täglich grüßenden Murmeltier, Regisseur Marco Dott widersteht aber begrüßenswerter Weise dem Impuls, Klamauk zu inszenieren. Die unterkühlt ausgespielten Absurditäten fügen sich nahtlos in die Ästhetik der provozierten Brüche in den alternativen Fiktionen von Handlungen.

Deus ex machina ist ein Drehbuch des Lebens, dessen Facetten mit anfangs geringfügigen Veränderungen aktualisiert werden. Umgesetzt wird es von einem Spielleiter (herrlich distanziert bis aufgebracht entnervt: Gregor Schulz) und einem Assistenten-Paar, das von Bedienerin bis Arzt und Hausfreund für alle situativ anfallenden Rollen einspringt und die Szenen einrichtet (Elisabeth Mackner und Martin Trippensee). Träger dieses Lebens ist Hannes Kürmann (Christoph Wieschke), der seine Ehe mit Antoinette Stein (Tina Eberhardt) zunächst ungeschehen machen möchte. Er habe die Wahl und könne sich an ausgesuchten Stationen seines Lebens umentscheiden. Um seine Sponsionsfeier als Verhaltensforscher zu verhindern, tritt er sogar der kommunistischen Partei bei, da an diesem Abend Antoine als letzter Gast bei ihm einsitzt. Allerdings verändert dieser politische Akt erst später seine Karriere negativ, sodass verschiedene Ehe-Szenarien durchgespielt werden, weil er sich letztlich ja doch nicht von ihr trennen will.

Die Frustration über eine ständig fremd gehende Ehepartnerin, die man über Korrekturen seines eigenen unbeherrschten Verhaltens weiter an sich bindet, führt schließlich bis zu deren Ermordung, die natürlich auch zurückgenommen wird. Rührend pflichtschuldigst wird die Frau den an Magenkrebs Sterbenden ständig im Krankenhaus besuchen und bekommt nun ihrerseits vom Spielleiter die Wahl zur Veränderung ihrer Biografie angeboten. Damit ist man wieder bei der Anfangsszene am Abend, der Sponsionsfeier, die sie diesmal verlassen wird. Die Melodie einer Spieldose begleitet den frisch gebackenen Professor ins ungewisse Ende des Stücks und das definitive des Abends.

Der Spielleiter beginnt aktiv mit der Umsetzung der Szenenkorrektur und fordert Kürmann auf, nicht so zu spielen, als ob er die späteren Ergebnisse seines Lebens schon wüsste. Das ist die Vorgabe, unter der das folgende Spiel stattfinden wird und damit plakativ funktioniert. Denn die zunehmend von ihren Lebensrealitäten angereicherten Figuren sind wie die aus einem Comic im Wesentlichen unveränderlich, ein Neuanfang in der Pubertät kommt nicht in Frage. Auch werden alle Möglichkeiten zur Wiedergutmachung früherer Schuld abgelehnt, weil man sich an sie gewöhnt hat. Damit entgeht Frisch der Notwendigkeit, die Abhängigkeit von kognitiver und emotionaler Entwicklung von äußeren Faktoren und Anstößen ernsthaft zu diskutieren, was aber eine reizvolle Herausforderung an die Psychologie diverser schauspielerischer Neuaufstellungen bereitstellen könnte.

So bleibt das Spiel ein etwas beliebiges Rangieren ohne tiefere Erkenntnis als der, dass sich ein Protagonist das Trinken abgewöhnen könnte bei einer Neuaufstellung seines Lebens. Grundthese: Man kann sich keine andere Intelligenz wünschen; deren Potenz sei vorgegeben.

Matthias Kronfuss greift das Schachspiel aus dem auslösenden Abend als Gestaltungsmetapher auf und versetzt Kostüme und die spärlichen Requisiten in den Kontrast von Schwarz und Weiß. Den weißen Vorhängen als Zeitfenster liegt ein schwarzes Bühnenquadrat vor als Vexierbühne des alternativen Lebens. Das Oval ist nicht nur ein geeignetes Ausweichquartier für die Kammerspiele, seine Anordnung als Tribüne kommuniziert das dramatische Geschehen auf charmante Weise. Eifriger Premierenapplaus für ein unterhaltsames Spiel ohne grenzwertigen Abgründe.

Aufführungen bis 6. Oktober im Oval (Europark), von 6. bis 30. Dezember in den Kammerspielen des Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall