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Es ist immer derselbe Dreck

LANDESTHEATER-ZELT / KASIMIR UND KAROLINE

08/05/22 „Gestern abgebaut, morgen stempeln, heute amüsieren“: Der Besuch auf dem Münchner Oktoberfest kann nicht gut gehen. Mit Ödön von Horváths Kasimir und Karoline beginnt das Salzburger Landestheater seine Spiel-Monate im Zirkuszelt auf dem Messegelände.

Von Reinhard Kriechbaum

Fast wähnte man sich am Premierenabend beim Winterfest, mit Zelt-Gastronomie und allem drum und dran. Im Dezember regnet es ja auch oft Schusterbuben. Unterschied: Im Mai ist's bei so einem Sauwetter saukalt im Zelt. Also Pullover nicht vergessen, falls nicht eh bald tagsüber die Sonne aufs beachtlich große Zelt mit 36 Metern Duchmesser brennt!

Kalt geht’s auch zu zwischen den Verlobten Kasimir und Karoline. Es entpuppt sich augenblicklich als allzu treffend, wie der Schneider Schürzinger, Zufallsbekanntschaft am Eisstand, der jungen Frau die Welt erklärt: Wirtschaftliches Ungemach schlägt sich unmittelbar aufs Beziehungsleben nieder. Der soeben arbeitslos gewordene Kasimir lässt seinen Frust an Karoline aus, aber die denkt nicht daran, sich das Oktoberfest-Vergnügen vergällen zu lassen. Es locken die Fahrgeschäfte, die Männer, der soziale Aufstieg. „Eine höhere gesellschaftliche Stufe“ will Karoline erreichen, sie lässt Kasimir und dann auch Schürzinger abblitzen, weil der Kommerzienrat Rauch höheres Image verspricht. Aber wir sind bei Ödön von Horváth, entsprechend desillusioniert stehen alle Beteiligten am Ende da. Der Schriftsteller dachte und empfand gewiss so, wie er es Kasimir anfangs in den Mund legt: „Ein jeder intelligente Mensch ist ein Pessimist.“

Die in der Wirtschafts-Rezessionszeit zwischen den Kriegen entstandene Geschichte ist geradlinig – und so hat sie Landestheater-Intendant Carl Philip von Maldeghem auch in Szene gesetzt. Kasimir und Karoline passen sowieso auch gut in unsere Zeit, da sich Menschen abgehängt fühlen und es nicht selten tatsächlich sind. Da muss man also nicht aktualisierend nachhelfen. Da und dort ein kleiner Halbsatz-Schlenkerer, schon ist man im Heute. Das Premierenpublikum hat die Produktion entsprechend honoriert und signalisiert, dass ihm nichts abgegangen ist in dieser Stück-Nacherzählung. Sie lebt davon, dass der Intendant sein Ensemble richtig gut kennt und sehr typengerecht besetzt hat.

„Zu schwer füreinander“ seien sie, befindet Karoline. Ihrem Kasimir – Maximilian Paier – traute man zu, dass er bald wieder aus dem Stimmungstief herauskäme, aber Karoline – Sarah Zaharanski – ist eben gerade heute, auf dem Oktoberfest, so richtig gut drauf. Der wirbelige Blondschopf lässt nichts anbrennen. Achterbahn, Schiffsschaukel, Reitbahn, schließlich der Cabrio des Kommerzienrats mit Ziel Altötting. Der Ort muss einem erst einfallen für ein Schäfterstündchen! So schnell kann's gehen, „so tief hinunter um hinauf zu kommen“.

Aaron Röll macht als Schürzinger gehörig traurige Figur, er ist ja zuerst nur männlicher Duchgangsposten zwischen Kasimir und dem selbstgewissen Ungustl Rauch (Axel Meinhardt), der sich ein Techtelmechtel mit Karoline verspricht. Sein Freund Speer (Christoph Wieschke) ist auf einen flotten Dreier mit zwei anderen „Wiesenbräuten“ aus. Geht auch daneben, wie alle amourösen Selbst- und Fremdversuche in diesem Stück. Der Kleinkriminelle Merkel Franz steht für eine andere Bewältigungsstrategie der Wirtschaftskrise. Da darf Georg Clementi nach Kräften den Macho raushängen lassen und seine Erna (Lisa Fertner) karniefeln. Macht was her, diese Rolle, auch wenn sie – wie eigentlich alle Figuren – reichlich klischeehaft gezeichnet ist. Das ist bei einem Volksstück à la Ödön von Horváth durchaus statthaft.

Die Folge kurzer Szenen – Büchners Woyzeck stand nicht nur inhaltlich Pate – ist dem Manege-Rund gut eingeschrieben. Das gewaltig große Wheel of Steel, das Bühnenbildnerin Stefanie Seitz als einziges wichtiges Requisit hat bauen lassen, ist ein für das Gefühls-Auf -und-Ab anschauliches Metaphern-Gerät: eine Kombination aus Rundschaukel mit zwei Hamsterrädern. Ein Maximuman hochenergetischer Bewegung ohne echtes Weiterkommen.

„Du brauchst einen Menschen, Karoline“, sagt Schürzinger, der auch nach dem glücklosen Cabrio-Ausritt der jungen Frau mit dem Kommerzienrat die Hoffnung auf sie nicht aufgegeben hat. „Es ist immer derselbe Dreck“, sagt sie. Eine positivere Weltsicht trägt's nicht bei Ödön von Horváth.

Aufführungen bis 18. Juni im Zirkuszelt beim Messegelände – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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