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Tanz auf einem Fleckerlteppich

MOZARTWOCHE / LANDESTHEATER / MOZART MOVES!

28/01/20 Was hat man von einer Frau zu erwarten, die in eine Kontaktanzeige schreibt: „Ich liebe Mozart“? Bessere Frage noch: Was für einen Mann hat eine Frau zu erwarten, der auf eine solche Selbstbeschreibung abfährt und nicht auf jene Karte setzt, auf der steht: „Großes Herz. Großer Busen“?

Von Reinhard Kriechbaum

Die Sache klappt in dem Dramolett von dem französischen Filmemacher und Erfolgsautor Éric-Emmanuel Schmitt auch erst mit den vierten Mann, und der ist – erraten! – nicht in der testosterongesteuerten Gruppe maskuliner Alphatiere zu verorten. Hoch lebe das Vorurteil!

Aber mal von vorne: Lokale Vernetzung ist angesagt in Rolando Villazóns Mozartwoche, und also führt er, der sich allüberall so gerne selbst einbringt, sogar im Salzburger Landestheater Schauspielregie, gemeinsam mit der jungen Hausregisseurin Christina Piegger. Für den Abend Mozart moves! wurden Dramolettaufträge an sieben Autoren vergeben. Ein/e jeder/e bekam ein Bläserdivertimento von Mozart mit auf den Weg. Oder eher aufs Aug gedrückt? So etwas kann ja Impuls, Assoziationshilfe, Ideen-Krücke, aber auch bloß lästiger Vorwand sein.

Mit allem war zu rechnen, und alles ist letztlich gekommen in dem Siebener-Bouquet: Éric-Emmanuel Schmitt ging's frontal an mit seinem Partnersuche-Clip Ich liebe Mozart. Die Mexikanerin Guadelupe Nettel lässt in Die Stimme des Windes zwei indigene Frauen über den Atem im Sein anstellen. So tiefsinnig wie sentimental. Aber Kitsch ist keine Urteilskategorie bei Literarischem aus anderen Kulturkreisen. Nahe an der Musik auch der Mexikaner Jorge Volpi mit Brain Music. Eine Neurologin will durch Gehirnstrommessung an einem Dirigenten hinter das Wesen der Musik kommen. „Ich denke nicht, dss ein Wissenschafter ein Meerschweinchen nach seiner Meinung fragen soll“, sagt der achselzuckend, und „Es ist, als ob man einen Vogel zerstückelt, um herauszufinden, warum er fliegt“. Aber der Dirigent heißt Tristan, und so wächst, während sie (die wenigstens nicht auf den Namen Isolde hört) von Hippocampus und Serotonin schwafelt, wenigstens die Zuneigung.

Andere haben sich der Musikanspielung total entsagt, etwa der israelische Autor Shlomo Moskovitz, der in Schleier eine multikulturelle Gesellschaft zu Tisch bittet. Merke: Ein Spaghetti-Menü kommt politisch tendenziell unkorrekt an, wenn ein Gast den Niqab trägt. Aber auch der feministische Exkurs, in den sich die Gastgeberin hineinsteigert und in dessen Verlauf sie der vermeintlichen Muslimin den Schleier vom Gesicht reißt, enthüllt ein Genderproblem. So sperrig dieses Dramolett daher kommt, es ist eines der hintergründigeren an dem Abend, an dem man intellektuell nicht gerade überstrapaziert wird.

Zwischenmenschliche Machtkämpfe: In (My) Love (In) Your Hands beschreibt die mexikanischstämmige Kanadierin Martha Bátiz, wie eine Frau ihrem offenbar ans Bett gefesselten, des Sprechens nicht mehr mächtigen Mann Jahre des Ehe-Unglücks heimzahlt. Das geht unter die Haut, wogegen der Australier Tom Holloway in A Deep and Philosophical Conversation About Marmelade auf fast burleske Absurdität setzt. Man kann nicht nur über die Zubereitung von Porridge streiten. Auch über Musik, die einer wahrnimmt oder auch nicht, oder die einer aus Bosheit gegenüber dem anderen einfach nicht hören will.

Und schließlich fast gespenstisch der Deutsche John von Düffel: Eine Prostituierte ist auf Appartement 388 bestellt. Dort wartet kein sexhungriger Mann auf sie, sondern die Stimme aus dem Off verlangt bloß, sie möge schlafen. Schlafen vor der Kamera, zu Musik Mozarts (KV 388 ist die alles andere als einschläfernde „Nachtmusique“). Das Ansinnen lässt die Dame fast aus den Stöckelschuhen kippen...

Ein Textkonglomerat, inhaltlich, stilistisch und auch in der Qualität höchst disparat. Unzufriedenes Murren der Mozart-Wöchner war nicht zu überhören. Sieben Schauspieler (Britta Bayer, Tina Eberhardt, Sophie Mefan, Nikola Rudle, Georg Clementi, Hanno Waldner und Christoph Wieschke) finden immerhin lohnende Aufgaben. Rollen, in denen es auch darum geht, blitzschnell möglichst viel Profil zu entwickeln, was durchwegs gut gelingt, mal auf der witzigen Seite, dann wieder hintersinniger.

Aber der Abend heißt Mozart moves!, und das meinte nicht ahnungsvoll, dass doch einige Leute in der Pause das Weite suchen sollten. Man holt sich die Bewegung letztlich doch aus der Musik (dem kammermusikalkisch ambitionierten Mozarteumorchester unter Gabriel Venzago), indem man zwischen den Dramoletten sechs Tanzpaare ausreichend beschäftigt: Äußerst kreative, idiomatische Choreographien von Landestheater-Ballettchef Reginaldo Oliveira. Tanz und Szenenumbau (die Bühne von Eva Musil beschränkt sich aufs Allernotwendigste) fließen ineinander, auch das Umkleiden geschieht immer als Spiel in der Gruppe – das ist elegant und geschmeidig gelöst, erzeugt gar Stimmung. Der Stücke-Fleckerlteppich hätte durchaus mehr Flusen und unverknüpfte Fäden haben könnnen, die Aufführung ist besser und inspirierter als die Dramulette befürchten lassen..

Aufführungen innerhalb der Mozartwoche am 30. Jänner um 19.30 Uhr und am 2. Februar um 15 Uhr, dann bleibt das Stück bis 23. Mai im Spielplan des Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall

 

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