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Schräg, schrill und ur-cool

WINTERFEST

17/10719 19 Jahre ausverkaufte Vorstellungen vor verzaubertem Publikum. Ein weltberühmter Artist aus einer legendären Zirkusfamilie als neuer künstlerischer Leiter: Das Winterfest im Volksgarten macht seit jeher alles richtig und erfüllt eine Leerstelle im sonst übervollen Salzburger Kulturleben mit dem internationalem Flair des Nouveau Cirque.

Von Heidemarie Klabacher

Nouvau Cirque ist längst kein Fremdwort mehr in Salzburg. Sogar in der musik-lastigen Mozartstadt erhalten Fans einen erstklassigen Überblick über die internationale Zirkusszene – schlagen doch seit nunmehr 19 Jahren die bekanntesten und innovativsten Truppen des Nouveau Cirque wochenlang ihr Winterquartier im Volksgarten auf. Viele Truppen sind sogar schon alte Bekannte, wie etwa der kanadische Cirque Alfonse der mit seinem neuen Stück Tabarnak, zurück in den Volksgarten kommt und „zu einer surrealen, rauschenden Messfeier einlädt“: Das Winterfest präsentierte heute Donnerstag (17.10.) sein Programm. „Waghalsige Akrobatik mit folkloristisch-rockiger live-Musik und liturgischem Einschlang“ stehe zur Eröffnung an. „So wie 2016 in Timber! werfen sie auch in ihrem neuen Stück einen ganz eigenen Blick auf die Traditionen ihrer Heimat Québec.“ Das kann schräg werden: „In selbstgestrickte Messgewänder gekleidet, jonglieren die Artistinnen und Artisten mit silbrigen Weihrauchfässern und bedienen sich des schillernden Kirchenfensters als schwebende Plattform für akrobatische Höhenflüge....“ Schwerkraft hat ja noch nie eine Rolle gespielt im Zirkus.

Die französische Compagnie Cie Akoreacro kommt zum dritten Mal nach Salzburg: In der Produktion Dans ton coeur werfen die Künstlerinnen und Künstler ihren Blick auf den scheinbar banalen Alltag eines Paares: „Zwischen tanzenden Kühlschränken und schwebenden Badewannen fliegen Claire Aldaya und ihre Artistenkollegen anmutig durch die Lüfte und lassen ihr Publikum atemlos zurück.“ Dabei sei nicht nur der Spagat zwischen Liebe, Arbeit und Familie ein echter Balanceakt heraus. Die Leutchen versuchen, mit aller Kraft „das Gleichgewicht in dieser Welt zu wahren, in der nach und nach alles aus den Fugen zu geraten scheint“.

Erstmalig ist die australische Compagnie Circa zu Gast im winterlichen Volksgarten – und hauen gleich auf die Pauke: Mit Circa's Peepshow verführen die Antipoden auf einen Tanz durch das „wunderbar bizarre Spiegelkabinet ihrer Fantasie“ und verschmelzen Circus, Cabaret, Burlesque und Akrobatik zu einer glamourösen Performance. Die schrägste Prodution des kommenden Winterfests? Die australische Compagnie vereint jedenfalls einige der besten Akrobatiktalente der Welt, die antreten werden, alle gewohnten Seh- und Sichtweisen auf den Kopf zu stellen.

Eine Glühbirne. Ein Sessel: Der Artist und Performer Thom Monckton kommt mit seiner Solo-Performance Only Bones v1.0 aus Finnland und wird auf kleinstem Raum dem Publikum einen Kosmos erschließen: nur mit seinen Händen und „seinem scheinbar unkontllierbaren Gesicht.“ Ich Er liebe Clownerie und Physical Comedy, sagt Thom Monckton: „Ich wollte mit diesen Kunstformen experimentieren, sie neu verpacken und auf eine Art präsentieren, dass man sie nicht wieder erkennt.“ Ihm geht es um das Wesentliche, den den Körper, seine teilweisen Mikro-Bewegungen und um die Suche nach dem Lachen des Publikums.

Erstmals kooperiert das Winterfest mit der ARGEkultur. Dort stellen die drei Artistinnen des Berliner Kollektivs still hungry mit ihrem Stück Raven möglicherweise neue Facetten des Themas Mutterschaft zur diskussion. Assoziationen mit dem Begriff „Rabenmutter“ sind durchaus erwünscht, Konventionen zum Thema werden infrage getstellt: „Es gibt immer noch viel zu wenige Stücke im zeitgenössischen Circus, die von Frauen kreiert und von Frauen aufgeführt werden. Auch in der Führungsebene der Theater sind Frauen leider eher eine Seltenheit“, sagen die Artistinnen. „Wir treten ein für ein zu veränderndes Bild der Frau: ihrem Körper, ihrem Alter und Frauen mit Familien in künstlerischen Berufen. Nicht nur der zeitgenössische Circus braucht mehr starke und mutige Frauen, die sich mit vielfältigen Themen und ihren Karrieren oder Nicht-Karrieren auseinandersetzen.“ Das Toihaus wird ebenfalls wieder zur Winterfest-Spielstätte: Die Programmschiene Kaleidoskop bringt aktuelle Arbeiten österreichischer, deutscher und schweizerischer Circuskünstlerinnen und -künstler.

Das aktuelle Festivalprogramm hat, wie auch die Winterfeste der letzten drei Jahre, Caroline Stolpe als künstlerische Leiterin verantwortet. Sie gibt die Staffette weiter an einen ganz großen der Szene, an David Dimitri, einen „Gestalter, Vordenker und exzellenten Kenner des Nouveau Cirque“ der als neuer künstlerischer Leiter des Winterfests gewonnen werden konnte.

Ein wenig Zahlenartistik: Das Winterfest ist der drittgrößte Kulturveranstalter in Salzburg und eines der größten Festivals für zeitgenössische Circuskunst im deutschsprachigen Raum. Es umfasst achtzig Circusvorstellungen, zwei Ausstellungen, drei Literatur-Matineen, neun Konzerte, drei Film-Nachmittage und acht Publikumsgespräche in sechs Wochen bzw. an 29 Spieltagen. Erwartet werden heuer 30.000 Zirkusfans. Sechs Circuscompagnien präsentieren drei Österreichpremieren. Gespielt wird im Volksgarten im Theater- und im Circuszelt, im Kleinen Zelt und im Circusfoyer, sowie bei den Kooperationspartnern Toihaus und ARGEkultur.

Das Winterfest von 28. November bis 6. Jänner 2020 - www.winterfest.at
Bilder: www.winterfest.at
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