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Der Steppenwolf im Fleischwolf des Zeitgeistes

LANDESTHEATER / KAMMERSPIELE / DER STEPPENWOLF

19/09/18 Hermann Hesses Steppenwolf ist ein Text über große Gefühle und Befindlichkeiten, von der Zerrissenheit der Persönlichkeit und voller Ironie über unsere Lebensfähigkeit; vor allem über den Schmerz der Einsamkeit und die Kraft des lustvollen Wünschens nach Erlösung und Erfüllung.

Von Erhard Petzel

Die Wahrnehmung von individueller Verkürzung eigenen Seins zur vielfältigen Auffächerung der persönlichen Seelenlandschaft ist dramaturgische Entwicklungslinie des Buches, gipfelnd im magischen Theater am Endpunkt einer Wesensreise des Menschen, die Hesse wohl an sich selbst geltend macht.

Von dieser absurden Schlussapotheose scheint die Bühnenfassung von Joachim Lux auszugehen. In der Inszenierung Johannes Enders in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters (Premiere war dieser Tage im Emailwerk Seekirchen) wird der Theaterbesucher in eine Revue des Menschlichen versetzt. Es ist der große Abend dreier Schauspielerinnen. Janina Raspe eröffnet den Reigen kabaretthafter Einlagen von textlichem Erzählen zu dramaturgischer Inszenierung dauernden Seelen-Splittings mit ihren Partnerinnen Katharina Halus und Sonja Zobel. Sie schlüpfen traumwandlerisch in alle eingebauten Rollen und teilen die Hauptfigur Harry Haller unter sich auf.

Hermann Hesse, bei Psychoanalytiker C.G. Jung in Behandlung, formuliert eine Frontstellung zwischen leidendem Individuum und seiner empfundenen Unverträglichkeit mit der bürgerlich-konventionellen Umgebung. Dieser Zwiespalt wird auch innerhalb seines literarischen Alter Egos im Kampf des Menschen Haller mit seiner vereinsamten Steppenwolf-Seite veranschaulicht. Diese Darstellung steht als Schattenriss am Beginn des Abends (Bühne Hannah Landes). Der Ansatz Hesses, zuerst im Traktat des Steppenwolfs formuliert und bei Ball und magischem Theater vollendet, das Individuum als Spielplatz unterschiedlichster Unter-Ichs zu fassen, verbindet alles Personal zu einer Mega-Ebene der Erzählung. Das versucht das Theater wenigstens zu skizzieren.

So zieht sich eine Idee als roter Faden durch die Aufführung, die im Buch bei der Ermordung Hermines entsteht. Pablo reduziert da die Leiche zur Puppe, was den gewaltsamen Vorgang nicht ungeschehen macht, aber relativiert. Das Puppenspiel auf der Bühne dient der Darstellung der Außenwelt. Zwei Puppengrößen für den Neffen der Zimmervermieterin, wobei die größere Haller mit ihren Spießbürgeranliegen aufsitzt, erdrückt und würgt. Die Menschenmasse am Ball, in der Harrer aufgeht, ist ein riesiger Puppenballon. Diese Einheit am Schluss gibt es zum Besuch beim altbekannten Professor nicht. Der gebiert sich als Doppelmaske.

Wer seinen Hesse gelesen hat, tut gerade bei dieser Szene gut daran, sich auf ein großes Solo Raspes einzulassen. Die Mischung aus szenischer Darstellung, Zitat, Texterzählung und Improvisation führt zu schriller Vergröberung. Der Witz im Spiel mit dieser Doppelmaske kann als Höhepunkt der Aufführung gelten wie als deren Tiefpunkt. Wenn Raspe mit Goethe-Vasen (7 Stück davon müssen das Bild ersetzen) ein Jux-Solo durchzieht, besticht dessen virtuoser Klamauk. Der Schmerz des Individuums wird aber zer- und überspielt. Wenn der Professor das Horst-Wessel-Lied singt, mag das als Geschmacksentgleisung noch durchgehen. Hallers Intonation der Internationale ist aber einfach falsch. Nicht jeder Holzhammer trifft.

Ein schauspielerisches Feuerwerk, eine Fülle bezaubernder Ideen. So führt das magische Theater den Besucher zum Mirabellgarten, wo an der illuminierten Götterbalustrade die Mozart-Szene über Lautsprecher eingespielt wird. Der Wettergott spielte mit. Ein buntes Panoptikum, das besonders dort zu seinem Gehalt findet, wo die Szene es präferiert. Wunderbar obskur der Goethe Zobels, fast innig das Duett Hermine-Harry mit Raspe-Halus. Große Soli und Ensembles, aber auch großes Illustrieren des Wortes und Zerspielen des Wesens. Der Steppenwolf faschiert vom Theater-Zeitgeist und portioniert zu Superfood-Häppchen fürs Happening-Buffet. Dem Publikum schmeckte es.

Aufführungen bis 28. März 2019 in den Kammerspielen des Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

 

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