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Freies Kurhaus für freie Radikale

ARGE KULTUR / DER THERMALE WIDERSTAND

07/06/18 Die minderen Übel, wie Tod durch Sintflut – geologisch auch nichts anderes als ein Wassereinbruch – sind überstanden. Man kann sich wieder dem Wesentlichen widmen: „Fußdesinfektion!“ Das „Theater der freien Elemente“ spielt in der Regie von Gerda Gratzer „Der thermale Widerstand“ von Ferdinand Schmalz und bringt ein ganzes Kurbad unter im Studio der ARGE.

Von Heidemarie Klabacher

Soll nicht demnächst die klassische „Kur“ abgeschafft und der sozial-schmarotzerische Krankenständler statt dessen ins Fitness-Studio geschickt werden? Dichter waren schon immer hellsichtig... Ferdinand Schmalz bietet dem Fit- und Wellnesswahn Paroli und war mit seiner Kurbadfarce, uraufgefüht 2016 in Zürich, aktuellen Entwicklungen im heimischen Gesundheitswesen weit voraus.

Dank des „Theaters der Freien Elemente“ kann man dieser Tage in Salzburg erleben, wie „Der thermale Widerstand“ seine Barrikaden mit Aqua-Nudeln gegen die globale Einheits-Wellness-Unkultur aufbaut - und nach „Dosenfleisch“ im Schauspielaus in der ARGEkultur einen weiteren „Schmalz“ erleben.

Im Kometenschweif des längst in olympische Burgtheater-Jedermann-Höhen aufgestiegenen Sterns von Ferdinand Schmalz sind natürlich Partikel kosmischen Sternenstaubs vorangestiegener Gestirne auszumachen. Etwa von Schwab und Jelinek. Man weiß nicht, ob der Dichter „Kap“ und „Kapitän“ aufeinander folgen lässt, weil er glaubt, dass das ein super Wortspiel ist, oder weil er glaubt, dass sein Publikum glaubt, dass das ein super Wortspiel ist. Immerhin hat bei guter Hoffnung beides mit Wasser zu tun. Auch Reinheit ist oft dem Wasser geschuldet, wenn auch nicht die Reinheit der Reime. Manches reimt sich bei Ferdinand Schmalz. Etwa der Wunsch nach „Vertiefung“, der abgleitet an der „Verfließung“. Wenn schon nicht der Reim, ist – im genialen Bühnenbild von Alois Ellmauer – doch die Verfließung blütenrein…

Das Verseschmieden kann die Jelinek besser, aber die hat dem jungen Kollegen einige Jährchen und einen Nobelpreis voraus. Die vielen Jelinek-Partikel fallen einfach auf, nix für ungut. Der häufige Gebrauch unbestimmter Artikel erinnert dagegen an Werner Schwab, etwa an die „Präsidentinnen“, die ja auch teils in gefließten Räumen spielen: „weil eine Angst in den Eingeweiden ist…“. Es gibt eine österreichische Tradition in der Dichtkunst und das ist gut so.

Wenn Schmalz von der „langersehnten Langeweile“ schwärmen lässt, gibt es nichts zu mäkeln. Weiß man doch, dass Phasen wahrer Kreativität Phasen befreiender Langeweile vorangegangen sein müssen. Und wenn der Masseur das Ansinnen der Kurverwalterin, bei seinen Kundinnen „tiefer“ zu gehen empört zurückweist, muss man ihm, allein schon im Sinne von #metoo, zustimmen: Ein Heilmasseur ist weder ein Kur-Pfuscher noch eine Kur-Tisane. „tisane“ ist auf Französisch ein Kräutertee oder sonstwas ohne Koffein drin, also was für Warmduscher. Es gibt auch tisane laxativ.

Und genau dies bräuchten die Kurgäste im „Thermalen Widerstand“, wenn da gar nichts mehr geht im Inneren und am unteren Ende der Kurkörper. Irgendwann kommt „Phantom-Scheiße“ (pardon) und die lässt sich nicht mehr wegspülen... Die Politik, die mit Lust Phantom-Feindebilder besch-wört, sollte vielleicht auch F. Schmalz lesen.

Die Darstellerinnen und Darsteller Julia Leckner, Domenica Radlmaier, Jurij Diez, Wolfgang Kandler und Peter Malzer haben die Reime und frei-gebundene Sprache Schmalzens mit größter Sorgfalt rezitiert: bestens vorbereitet, gut verständlich, ohne zu stolpern und ins Becken zu plumpsen (wie der Teufel das Weih- meiden die Kurgäste ja das Thermalwasser). Oft entwickelt sich freier musikalischer Sprachfluss, und boshafte Ironie wird spürbar. Dies eher in den Mono- oder Dialogen, als in den chorartigen schwergewichtigen Unisono-Kommentaren. Regisseurin Gerda Gratzer hat dem intimen Studio der ARGE jedenfalls eine rundum stimmige Produktion eingeschrieben.

Der Botschaft Schmalzens – „Die Bäder denen, die baden“ – wird diese konzentrierte schnörkellose Aufführung ganz hervorragend gerecht. Dass dem gewöhnlichen „Baden“ in Zeiten von Spasszwang und despotisch geforderter Selbstoptimierung schwere Wetter entgegen stehen, sieht man ja allein schon am Salzburger Bad-Neu-Bau: Kurhaus und Kurbad waren nicht mehr zeitgemäß. Weg damit. Auch wenn’s für den Neubau erst recht keine Parkplätze gibt.

Der Thermale Widerstand – weitere Aufführungen im ARGEstudio von 7. bis 9. sowie von 12. bis 14. Juni - www.argekultur.at 
Bilder: Gerda Gratzer (1); Sigrid Riepl (2)

 

 

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