Gehörst du dazu? Bist was Besseres oder spinnst?

HINTERGRUND / OPEN MIND FESTIVAL / RABTALDIRNDLN

07/11/17 Aus Dörfern sind sie in die Stadt (nach Graz) gekommen – und allmählich haben sie sich auch im Denken vom Schatten der heimischen Kirchtürme gelöst. Stadt und Land ticken ja doch unterschiedlich, haben sie festgestellt, und aus dieser Diskrepanz schöpfen die „Rabtaldirndln“ seit je her ihre Themen.

Von Reinhard Kriechbaum

In ihrer neuesten Produktion „Abreissen“, die am Donnerstag (9.11.) zum Auftakt des Open Mind Festivals in der ARGEkultur uraufgeführt wird, sprechen sie das unterschiedliche Denken direkt an. In ländlichen Gebieten hat man FPÖ gewählt und hätte lieber Hofer als Bundespräsidenten gesehen. Dort, wo die „Dirndln“ aus dem imaginären „Rabtal“ jetzt leben, wählte man – und wählten sie gewiss auch selbst – Van der Bellen. Rosi Degen-Faschinger, eine der aktuell vier Rabtaldirndln: Die so zutage getretene Kluft reiche sogar in die eigenen Familien hinein. „Man getraut sich gar nicht zu fragen, wen die anderen Familienmitglieder gewählt haben.“

Schauspieler-Kollegin Barbara Carli spricht eine ziemlich brisante Frage gelassen aus: „Wie würden wir selbst wählen, wenn wir nicht in die Stadt gezogen wären?“ Aber gerade Gelassenheit ist kein Merkmal der Rabtaldirndln, dieses Schauspielkollektivs, und so ist ein angriffiger Abend zu erwarten.

Ed Hauswirth vom Grazer Theater im Bahnhof hat Regie in „Abreissen“ geführt. Konzept und Text wurden gemeinsam entwickelt, das ist selbstverständlich in diesem Kollektiv, dem neben den Genannten noch Bea Dermond und Gudrun Maier angehören. Die einst fünfte im Bunde, Gerda Saiko, ist derzeit aus familiären und geographischen Gründen eher im Hintergrund tätig.

„Eine Modeschau, eine Haltungsschau“ sei es geworden, sagen die Rabtaldirndln, „die Haltung wird vor uns hergetragen.“ Schon vor der Bundespräsidentenwahl haben sie begonnen, an dem Stück zu arbeiten, das um die Frage kreist: „Warum geht die Masse nicht nach links, sondern nach rechts?“ Die Aktualität habe sie eingeholt, „es ist uns noch die Nationalratswahl hineingeschlüpft“, sagt Barbara Carli. Die Fragen seien dadurch aber nur aktueller, brennender geworden: „Es ist irgendwie magisch, was jetzt passiert.“

Wie man politisch „auf dem Land“ denkt und wie „in der Stadt“, das ist freilich ein Thema mit vielen Ambivalenzen. „Die Stadt ist nicht nur Aufklärung und Ratio, das Land nicht nur Heimat und Wellness.“ Und doch gebe es „ganz weit hinten im Kopf archetypische Bilder dieser Art“. Im neuen Stück „Abreissen“ geht es um Misstrauen, Entfremdung und einen zerbrechenden Konsens. „Die einfachen Fragen sind oft die schwersten: Gehörst du dazu? Bist was Besseres oder spinnst?“

Da hakt Barbara Carli ein und fragt genauer: „Wenn wir etwas auf der Bühne sagen, wessen Anwältinnen sind wir dann?“ Und Rosi Degen-Faschinger ergänzt: „Es schwingt die Sorge mit, mit FPÖ-Wählern nicht mehr reden zu können.“

„Abreissen“ ist beim Open Mind Festival (von 9. bis 19. November in der ARGEkultur) drei Mal zu sehen, am 9., 11. und 12. November – www.argekultur.at
Bild: ARGEkultur /Nikola Milatovic
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